Die Stadt Warburg

Warburg – Stadtgeschichtlicher Überblick

Faksimiledruck von Matthaeus Merian aus dem Werk „Topographia Germaniae“. Die Warburger Stadtansicht ist um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden.

Die Stadt Warburg liegt im südöstlichen Bereich der alten preußischen Verwaltungsprovinz Westfalen, in dem für seine historische Entwicklung oft so bedeutsamen „Dreiländereck“ von Westfalen, Hessen und Waldeck. Im Bereich der heutigen Stadt Warburg entwickelten sich früh zwei kulturelle und wirtschaftliche Zentren: die Altstadt Warburg und die Neustadt Warburg.

Die Altstadt geht auf eine die Diemelfurt beherrschende Burg zurück. Verschiedene Funde auf dem Burgberg lassen bereits für das 9. bis 10. Jahrhundert eine Besiedlung annehmen. Im Schutze der Burg, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts baufällig und unbewohnbar und 1830 abgebrochen wurde, entwickelte sich im 11. Jahrhundert im Kreuzungsbereich alter Handelswege eine Kaufleute- und Gewerbesiedlung, völlig ungeplant, bis der Stadt- und Landesherr, der Bischof von Paderborn, die Altstadt nach einem Plan anlegte. Die Altstadt Warburg besaß bereits im Jahr 1191 die Stadtrechte, wie sich aus alten Urkunden ergibt.

Im Jahre 1281 rief der Paderborner Bischof Otto von Rietberg die ersten Dominikaner nach Warburg und überließ ihnen den Weinhang bei St. Marien, um dort eine Niederlassung zu errichten. Er übergab ihnen 1283 auch die Alstädter Pfarrkirche „Sancta Maria in vinea“ mit Glocken, Friedhof und den dabeiliegenden Bergabhang, den Ikenberg.

Über diese Schenkung des Bischofs waren die Altstädter Bürger Warburgs sehr böse und verbittert, da sie gleichzeitig der Neustädter Kirche zugewiesen wurden. Der Protest wurde zum Zerwürfnis, als die Bürger der Altstadt die neuen Dominikanermönche aus ihrem zugewiesenen Besitz mit Gewalt zu vertreiben versuchten. Erst als der Bischof den Anführern mit Interdikt und Exkommunikation drohte, kam es nach längeren Verhandlungen im Jahre 1287 zu einem Vertrag, der den Frieden wiederherstellte und den Dominikanern das Verbleiben sicherte und der Altstädter Pfarrgemeinde den Neubau einer Kirche brachte; sie wurde „ad visitationem beatae Mariae virginis“ genannt (Besuch Marias bei Elisabeth). In der Folgezeit blieben die Dominikaner in ungestörtem Besitz der Kirche St. Maria in vinea und des Bergabhanges, auf dem sie bald auf hohen Stützmauern eine Klosterkirche errichteten. Die Konsekration der neugebauten Altstädter Pfarrkirche (noch heutige Pfarrkirche) vollzog der Paderborner Bischof am 19. Juni 1299 selbst.

Die Neustadt Warburg wurde von Bischof Bernhard IV. von Paderborn im Jahre 1228 gegründet. Sie erhielt ein eigenes Stadtrecht, einen Markt, ein Rathaus und eine eigene Pfarrkirche. Sie war von Beginn an – wie die Altstadt – selbständig. Im Jahre 1364 traten beide Städte als Gesamtgemeinde der Hanse bei.

Ihre wirtschaftliche Kraft für die frühe und bei dem Umfang der beiden Städte relativ große Bautätigkeit verdanken die beiden Städte ihren schon zeitig entwickelten Manufakturen und ihrem Nah- und Fernhandel. Wollweber und Leineweber, Lohgerber und Bierbrauer, „Kannen- und Potgeter“, sogar Glockengießer und eine starke „Kopmannsgilde“ bestimmten das Wirtschaftsleben. Außerdem spielte der Getreidehandel seit eh und je eine besondere Rolle, da die Warburger Börde als fruchtbare Getreidelandschaft ihre Überschüsse über das Warburger „Handelszentrum“ absetzen konnte. Warburger Waren wanderten weit in den Westen bis nach Holland und hoch in den Norden bis Hamburg und Lübeck.

Warburg und Umgebung Ausschnitt aus der Deutschlandkarte

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden beide Städte von einer durchgehenden Befestigungsmauer umschlossen, von der heute noch vier Türme und zwei Tore erhalten sind.

Erst 1436 kam es zu einer verfassungsmäßigen Vereinigung beider selbständiger Städte Altstadt und Neustadt im „Groten Breff“ zu einer „einrätigen“ Stadt. Der Bau eines neuen, gemeinsamen Rathauses wurde sofort beschlossen, das zwischen den Städten Altstadt und Neustadt auf der Grenze stehen und nach drei Seiten offen sein sollte: zur Altstadt, zur Neustadt und zum Kloster mit Klosterkirche. Mit der wuchtigen Bogenhalle hat der Baumeister diese schwierige Aufgabe genial gelöst. Das Rathaus wurde erst 132 Jahre später, im Jahre 1568 fertiggestellt.

Malerische Fachwerkgebäude der Altstadt – oben die frühere, Ende des 12. Jh. erbaute Dominikanerkirche „Sancta Maria in

Das ehemalige Rathaus der Neustadt Warburg lag an der Nordseite des Neustadtmarktes. Es wurde im Siebenjährigen Krieg 1760 bei den Kämpfen der Franzosen gegen die verbündeten Engländer, Preußen und Braunschweiger zerstört. Bei einer archäologischen Grabung vor zehn Jahren, 1984, konnten die erhaltenen Kellermauern und Fundamente weitgehend freigelegt und dokumentiert werden. Danach handelte es sich um einen Baukörper von 31,80 m Länge und 12,60 m Breite mit 1,55 m starken Außenwänden. Nach dem gemeinsamen Rathaus auf der Grenze zwischen Altstadt und Neustadt wurde das Neustädter Rathaus bis zur Zerstörung als Schule und als „Stadtkeller“ mit Wein- und Bierausschank genutzt.

Bei dem alten Altstädter Rathaus handelte es sich um einen großen Steinbau mit dreistufigen Staffelgiebeln. Der Baukörper hatte ein hohes Kellergeschoß, ein Hauptgeschoß und ein Obergeschoß; es hatte fast die gleichen Abmessungen wie das Neustadt-Rathaus (31,57 m x 12,28 m), das Mauerwerk bestand aus schweren Kalkbruchsteinen. Nach einer dendrochronologischen Untersuchung stammte das Gebäude aus dem Jahr 1336. Die große Halle im Obergeschoß diente den regelmäßigen Sitzungen des Stadtrates, für Verwaltungsaufgaben und auch der städtischen Gerichtsbarkeit – Zivil- und Strafsachen -. Der Saal stand aber auch der Öffentlichkeit für öffentliche und private Veranstaltungen und Feiern, auch Hochzeiten, zur Verfügung. Im Jahre 1568 verlor das Rathaus seine Funktion, als das neue gemeinsame Rathaus für die Altstadt und Neustadt fertiggestellt war. Es behielt jedoch seine Aufgaben als Festhaus, Kaufhaus und Lagerhaus. Von 1825 an wurde das Gebäude von einem privaten Erwerber durchgreifend umgestaltet, es wird heute (1994) noch genutzt.

Rathaus der vereinigten Alt- und Neustadt, erbaut 1568.

Blick durch eine Öffnung der Bogenhalle des gemeinsamen Rathauses auf den Eingang zur ev. Kirche „Sancta Maria in Vinea“.

Die vielen, häufig mehrgeschossigen Fachwerkhäuser aus dem 16. Jahrhundert, nicht selten mit kunstvollem Schnitzwerk verziert, bezeugen das Selbstbewußtsein und die Wohlhabenheit der Warburger Bürger und Zünfte. Aber auch Rückschläge waren immer wieder zu verzeichnen. Die Pestepidemien in der Zeit vom 14. bis 16. Jahrhundert bremsten die Ausbreitung des Wohlstandes und den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt immer wieder aufs neue. Bei jeder Epidemie ging nicht nur die Bevölkerung zahlenmäßig rapide zurück, auch die Bedeutung des Marktes schwand wegen der geringen Nachfrage in Stadt und Umland.

Mit dem Beginn des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) begann der Abstieg der Stadt. Die wirtschaftliche Blüte sank dahin; viel Bausubstanz wurde vernichtet. 1621 erschien im Laufe der Kriegshandlungen der „Tolle Christian“, Herzog von Braunschweig, auch vor Warburg. Der erste Versuch, die Stadt zu erobern, wurde von den Warburger Bürgern vereitelt. Nach dem Fall der Landeshauptstadt Paderborn gelang jedoch der zweite Versuch im Februar 1622, der Plünderung und Besatzung der Stadt Warburg zur Folge hatte. Im Gegenzug kamen dann die Kaiserlichen Truppen in die Stadt. Um dem Feind keine Deckungsmöglichkeiten zu belassen, ordnete der Kaiserliche Kommandeur von Blankhart an, alle Bäume, Hecken und Sträucher der Stadt abzuschlagen. Die Erinnerung daran hält ein Gedenkstein fest, der sich heute in der alten Trennungsmauer hinter der Klosterkirche befindet und die Inschrift „arbores caeae“ trägt.

Insgesamt hatte Warburg durch diesen Krieg stark zu leiden durch Besetzung, Brand und Plünderungen, auch unter den erzwungenen Kontributionszahlungen an die verschiedenen Besatzungstruppen. Der größte Teil der Stadtmauern wurde zerstört. Die Bevölkerung wurde stark dezimiert; der verbliebene Teil verarmte. Die zahlreichen öden Hausstätten und die noch lange unbestellten Ackerflächen waren auch ein Beweis dafür, dass diese Notzeiten der blühenden Hansestadt den Glanz und die Bedeutung geraubt hatten. Armut und Elend hatten den wirtschaftlichen Wohlstand abgelöst. Auch alle wehrhaften Schutzbauten waren so arg in Mitleidenschaft gezogen, dass sie der Stadt und ihren restlichen Bürgern keinen Schutz und keine Sicherheit zu bieten vermochten. Dazu hatte Warburg seine zentralörtliche Funktion im Raum zwischen Egge und Weser völlig verloren.

Einen Lichtblick in dieser trostlosen Zeit brachte das Jahr 1628 mit der Gründung der ersten öffentlichen höheren Schule, heute „Gymnasium Marianum“, die durch eine großartige Schenkung von Heinrich Thöne (Thonemann) ermöglicht wurde. (Siehe Abschnitt „Dr. Heinrich Thöne/Thonemann – Stifter des Warburger Gymnasiums„).

Auch der Siebenjährige Krieg 1756 bis 1763 brachte der Stadt Warburg und seinem Umland durch die feindlichen Besatzungen, die steten Durchmärsche und die umfangreichen Requisitionen eine arge Belastung. Am 31. Juli 1760 lieferten sich die beiden gegenüberstehenden feindlichen Verbände, die Franzosen gegen die verbündeten Engländer, Preußen und Braunschweiger, vor den Toren Warburgs eine Schlacht („Schlacht bei Warburg“). Die Engländer und ihre Verbündeten besiegten die Franzosen und gaben anschließend die Stadt zur Plünderung frei, die so gründlich vorgenommen wurde, dass sich die Stadt und Bewohner nur schwerlich davon erholen konnten. Die Bevölkerung erreichte mit 2000 Einwohnern einen absoluten Tiefstand. Aber zu bedauern ist die Tatsache, dass damit die politische Rolle Warburgs als 2. Hauptstadt des Fürstbistums Paderborn ausgespielt war.

1813 kam Warburg an Preußen, wurde Kreisstadt und gewann dadurch einiges von seiner früheren Bedeutung zurück. Eine weitere Förderung erfolgte im Jahr 1849 durch den Anschluß der Stadt an das Eisenbahnnetz. In der Folgezeit entwickelte sich Warburg zu einem Verkehrsknotenpunkt. Die Einwohnerzahl stieg im 19. Jahrhundert auf über 5000 an. Die Stadt wuchs über die Grenzen der mittelalterlichen Stadtbefestigung hinaus; einige Stadttore mußten der Stadterweiterung weichen. Die Funktion der Kreisstadt seit 1816 ging 1974 bei der kommunalen Neuordnung mit dem Zusammenschluß von 16 bisher selbständigen Gemeinden verloren (Warburg Großgemeinde); der Kreissitz kam nach Höxter.

Die herausragende Bedeutung des historischen Stadtkerns liegt heute in der weitgehend erhaltenen alten Doppelstadtstruktur. Teile der ehemaligen Stadtbefestigung künden von der Bedeutung der Stadt im Mittelalter und grenzen auch heute noch die Altstadt ein. Die Stadtansicht Warburgs von Süden gehört zu den schönsten im nordwestdeutschen Raum. In der Diemelniederung zeichnet sich die Altstadt mit dem Biermannsturm von dem Hang ab. Darüber liegt die Hangstadt mit dem ehemaligen Dominikanerkloster und dem gemeinsamen Rathaus, auf dem Bergrücken die Neustadt mit Giebeln der alten Klosterkirche und dem Hügel der alten Burganlage.

Die Hangstadt mit dem 1568 fertiggestellten gemeinsamen Rathaus für die Altstadt und die Neustadt (links oben im Bild) auf Grund der verfassungsmäßigen Vereinigung beider selbstständiger Städte auf der Grenze zwischen beiden Städten und der Öffnung nach drei Seiten durch die wuchtige Bogenhalle – links im Hintergrund die Neustädter Kirche – rechts oben das „Gymnasium Marianum“ , erste öffentliche höhere Schule, 1628 durch Stiftung von Heinrich Thönen (Thonemann) entstanden.

Die Wohnungen: Fachwerkhäuser – Steinhäuser

Es ist allgemein bekannt, dass die Häuser einer mittelalterlichen Stadt in der Regel Fachwerkbauten waren, wie sie uns in einigen Städten auch heute noch vorbildlich erhalten geblieben sind. Auch in Warburg waren die meisten Häuser aus Fachwerk erstellt. Dabei hatte der Zimmermann, nicht der Maurer, die Hauptarbeit und auch die Bauleitung. Bestimmte Hinweise für Bauten lassen sich auch aus späteren Bauten gewinnen, bei denen Eichenbalken zum zweiten Mal Verwendung fanden. Um ein besseres Verständnis für das damalige Raumgefüge der Häuser zu gewinnen (14. bis 16. Jahrhundert), ist es notwendig, sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in dieser Zeit zu vergegenwärtigen.

Das Sozialgefüge der mittelalterlichen Zeit war bestimmt durch die patriarchalisch strukturierte Großfamilie, die weitgehender als in späteren Zeiten eine Wirtschaftsgemeinschaft war und neben den Generationen der Kernfamilie auch alleinstehende Verwandte, Bedienstete und andere abhängige Menschen umfaßte. Sie versorgte sich noch weitgehend selbst mit Nahrungsmitteln, die meist aus eigenen oder gepachteten Gärten und Feldern und aus eigenem Viehbestand genommen wurden und im Hause verarbeitet und gelagert werden mußten. Dazu kam die Ausübung eines bestimmten Gewerbes, was ebenfalls viel Platz und Speicherraum im Hause benötigte. Die mittelalterlichen Bürgerhäuser müssen daher vor allem als Wirtschaftsbauten verstanden werden, in denen das Wohnen nur einen kleinen Teil des Volumens des Hauptgebäudes beanspruchen konnte.

So waren in der Regel hinter den Wirtschaftsräumen der größeren Häuser der damaligen Zeit zur Vorratshaltung auch Keller gebaut, die zur Hälfte tiefer gelegt waren, wie in Warburg an heutigen Beispielen noch bekannt sind. Die meisten hatten ursprünglich eine Balkendecke und wurden erst im 15. und 16. Jahrhundert eingewölbt. Oft findet man in ihren Mauern Schranknischen, an denen noch Nuten zum Einschieben von Regalbrettern und Spuren ehemaliger Verschlußkappen oder Schranktüren vorhanden sind.

Die reichen Bürger hatten nicht nur einen steinernen Kellerraum, sondern zusätzlich oder statt dessen ein auch in den oberen Geschossen steinernes Hinterhaus, das in Urkunden als „steyn kameren“ bezeichnet wurde. Sie sind aus anderen Städten auch bekannt und dienten wohl in erster Linie der einbruchs- und feuersicheren Vorratshaltung für die Versorgung der größeren Personen- oder Gesindezahl.

Die früheren Fachwerkhäuser waren im Vergleich zu späteren Zeiten oder heute noch verhältnismäßig klein und schlicht. Sie besaßen weder dekorative Strebefiguren noch Schnitzereien. Die Hausgerüste bestanden aus hohen, in großen Abständen zueinander verzimmerten Wandständern, die mit durchlaufenden, vorgeblatteten Riegeln und Verstrebungen miteinander verbunden waren. Die Geschoßbalken waren durch die Wandständer durchgezapft („geschossen“), und die Queraussteifung erfolgte durch angeblattete Kopfbänder. Im hinteren Drittel des Innern war eine Feuerstelle angeordnet.

Neben den Fachwerkhäusern („hüser“) und Steinwerken („steyn kameren“) gab es in der Altstadt von Warburg auch eine Anzahl von steinernen Wohnhäusern, die in alten Urkunden als „steynhüser“ ausdrücklich hervorgehoben wurden und sich vorwiegend im Besitz von Adeligen und Patriziern befanden. Da diese Oberschicht ihr Einkommen aus Lehnsgütern, ministralen Ämtern oder der Beschäftigung von Bediensteten bezog, war in ihren Häusern ein der Straße zugeordneter Wirtschaftsraum („Deele“) nicht notwendig. In der Regel wurden die Steinhäuser über die meist großen Grundstücke von der Traufseite her erschlossen und wahrscheinlich von mehreren Nebengebäuden umgeben. Das älteste datierte Steinhaus in Warburg ist das „Haus zum Stern“, Sternstraße 35, aus dem Jahre 1340, heute Stadtarchiv und Museum. Es war zunächst für viele Jahrzehnte im Privatbesitz der Familie „von Windelen“; diente später nach er Zerstörung des Klosters Wormeln durch den „Tollen Christian“ 1622 der Unterbringung der Wormeler Nonnen, später auch umgestaltet, im Siebenjährigen Krieg zahlreichen hohen Herren als Quartier und wurde 1787 von der Familie Rosemeyer erworben. Zu dieser Zeit erfolgte ein durchgreifender Umbau, auf den die heutige Aufteilung innen zurückzuführen ist. Im Jahre 1921 erwarb die Stadt Warburg den Besitz, der heute als Stadtarchiv und Heimatmuseum dient.

„Haus zum Stern“ in der Sternstraße 35 in Warburg aus dem Jahr 1340 – renoviert und verändert – seit 1959 Stadtarchiv und Museum.

Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden in einer Erneuerungswelle zahlreiche Bürgerhäuser und Steinhäuser in Warburg durch größere und aufwendigere Fachwerkbauten ersetzt. Es handelte sich dabei um einen Prozeß, der sich nach neueren Forschungsergebnissen im späten 16. Jahrhundert auch in anderen Städten, so z. B. in Höxter und Lemgo vollzogen hat. Das älteste Fachwerk-Bürgerhaus dieser Gruppe ist das sogenannte „Eckmänneken“ in der Altstadt, Lange Straße 2. Seine Inschrift auf der Speicherstockschwelle lautet: „M ccc LXXI hec. Domus est edificata“ (Im 1471-sten Jahr des Herrn wurde dieses Haus erbaut). Es ist die älteste inschriftliche Datierung eines Hauses in Westfalen (eines Fachwerkhauses). Das bestehende Gebäude ist leider nur ein getreuer Nachbau des Originals unter Verwendung der alten Teile. Das Innere entspricht nicht dem ersten Bau. Das Originalhaus diente früher dem Bäckeramt für seine Versammlungen und wurde wahrscheinlich durch den Zunftmeister erbaut und bewohnt. Drei geschnitzte „Wecken“ im Schriftbalken und eine geschnitzte Brezel sind zu bestaunen. Die beiden geschnitzten Figuren an den Eckknaggen zum Marktplatz hin sind nicht nur interessant, sondern zeigen auch mit ihren gegurteten kurzen Röcken und den gotisch spitz zulaufenden Strumpfhosen ein anschauliches Bild der Kleidermode des 15. Jahrhunderts.

Das „Eckmänneken“ – Haus in der Altstadt, Lange Str. 2, ist das älteste bekannte inschriftlich erwähnte Fachwerkhaus Westfalens. Es wurde 1471 als Zunfthaus der Bäcker errichtet – an diese Funktion erinnern geschnitzte Wecken und Brezel – die beiden geschnitzten Figuren an den Eckknaggen zum Marktpkatz hin geben mit ihren gegurteten, kurzen Röcken und den gotisch spitz zulaufenden Strumpfhosen ein anschauliches Kleiderbild des 15. Jh. – heute Restaurant.

Im weiteren Zeitablauf wurden in Warburg die städtischen Bürgerhäuser einer allmählichen Wandlung unterworfen, die zunächst formal war, dann aber immer tiefergehender auf Konstruktion und Raumgefüge und Raumaufteilung übergriff. Das wachsende Repräsentationsbedürfnis des Bürgertums führte zu einer erheblichen Zunahme der Verzierungen des Holzwerks mit Ornamenten und Spruchbändern. Komplizierte mittelalterliche Konstruktionen wurden zugunsten einer einfachen Stockwerksbauweise mit zwischengezapften Riegeln und Ständern aufgegeben, und die wachsende Differenzierung häuslicher Funktionen sowie die Fortschritte in der Heiztechnik führten zu einer allmählichen Aufgliederung des Hausinnern, wobei die große Deele schließlich zu einem Mittelflur zusammenschrumpfte.

Auch die Lebensweise der Menschen, das Essen und Trinken, war bei den Bürgern der Stadt einfacher, als wir es uns wohl vorstellen. Die „feinen Manieren“ bei Tisch, die auch entsprechend große und gestaltete Räume voraussetzten, haben nämlich eine relativ kurze Geschichte. Auch wenn die festlichen Gelage des Mittelalters die Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens des Adels waren, so würde man die dort herrschenden Sitten heute wohl kaum als besonders nobel oder nachahmenswert bezeichnen. Denn bis zum 16. Jahrhundert wurde bei uns noch fröhlich mit den Händen in die Fleischschüssel gelangt. Erst Ende des 15. Jahrhunderts tauchten die ersten Gabeln bei Tisch auf und der vor jedem Gast plazierte Teller. Die entscheidende Wende in der Geschichte der feinen Lebensart ging von Frankreich aus; besonders durch den Sonnenkönig Ludwig XIV. (1643 bis 1715) wurde eine Änderung bewirkt, die sich aber nur ganz allmählich in den breiteren Schichten der Bevölkerung der Länder durchsetzte.

Die Stadtbewohner

Die Einwohnerschaft Warburgs – so auch im „Großen Brief“ – wurden in drei Kategorien unterteilt. Es gab die Bürger, die Pfahlbürger und die Mitbewohner. Die rechtliche Stellung dieser drei Gruppen zeigten deutliche Unterschiede auf. Als Mitbewohner galten solche Personen von außerhalb, denen der Rat der Stadt erlaubt hatte, in der Stadt zu wohnen, weil man sich von ihrer Anwesenheit oder der vorübergehend ausgeübten Tätigkeit einen Gewinn oder Nutzen für das Gemeinwesen in der Stadt Warburg versprach. Diese Personen mußten zwar die städtischen Pflichten beachten und Abgaben leisten, kamen jedoch nicht in den Genuß der eigentlichen Bürgerrechte. So blieben diesen Bewohnern der Stadt die Mitgliedschaft in einer Gilde und die Bekleidung eines Amtes, ganz gleich, welcher Art, versagt.

Als Pfahlbürger wurden im Mittelalter die in den mit Pfählen und Flechtwerk umgrenzten Dörfern wohnenden Bürger bezeichnet, auch als Ausbürger oder Schutzbürger, also Bewohner, die außerhalb der Befestigung der Stadt in den „Vorstädten“ lebten oder auch Bewohner des platten Landes die das Bürgerrecht in einer anderen Stadt erworben hatten. Da solche Personen sich vielfach den Untertanenpflichten gegenüber den bisherigen Herren zu entziehen suchten, wurde in den Städten seit dem 13. Jahrhundert auf Betreiben der Landesherren mehrfach die Aufnahme von Pfahlbürgern in den Städten überhaupt verboten.

In Warburg wurden bei der Gruppeneinteilung diese Pfahlbürger nicht gemeint, sondern die in militärischer Hinsicht bedeutenden Vertreter des in der Umgebung oder Nachbarschaft ansässigen Adels, die von der Stadt Warburg am Bürgerrecht beteiligt wurden und dies aus dem Bedürfnis nach Erhöhung der eigenen Sicherheit und auch der Erweiterung des politischen Einflusses auf die Umgebung. Die Stadt gewährte diesen Pfahlbürgern das passive Wahlrecht jedoch nicht.

Damit blieben nur noch die eigentlichen Bürger der Stadt, die für das Amt des Ratsherrn in Frage kamen.

Doch die Gruppe der Bürger war kein einheitlicher Block; das Bürgertum war auch in sich gegliedert; in ihm setzte sich die hierarchische Gesellschaftsstruktur des Mittelalters fort. Auch in ihr gibt es Gruppen, in deren Händen die reale städtische Macht liegt, wie Selbstverwaltung und städtische Gerichtsbarkeit, die sich vom sozialem Gesamt abkapseln und ähnlich wie beim Adel – eine Führungsrolle mit entsprechenden Sonderrechten beanspruchen und auch besitzen.

Noch einmal deutlicher: Der Zugang zum Rat der Stadt Warburg stand nicht allen Bürgern offen, sondern „ratsfähig“ war nur ein bestimmter Kreis von angesehenen und vermögenden Familien, das sogenannte Patriziat. Auch durch die bestehende Wahlordnung, dass der alte Rat den neuen wählte, trat dieses Phänomen am stärksten in Erscheinung. So war jegliche Beteiligung der übrigen Bürgerschaft von vornherein ausgeschlossen. Damit war die Mehrheit der Bürger ohne Einfluß auf die Geschicke der Stadt; die Leitung und Macht lag nur in den Händen weniger Reicher. Der Rat wurde so zu einem Instrument der patrizischen Geschlechter, anders ausgedrückt: die Ratsmitglieder waren keine echten Volksvertreter. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass viele Bürger – und das ist bis heute so geblieben – kein oder kaum ein Interesse an der Annahme eines öffentlichen Amtes haben. Die Erfahrung aus dieser Zeit geht dahin, dass die Mittelschicht, wenn sie dann Einfluss auf die Besetzung der Stadtpositionen bekam, dazu neigte, die Spitzenämter in Rat und Verwaltung doch den alten Ratsgeschlechtern und Patriziern zu überlassen. Die Gründe lagen sicherlich zum einen in der großen politischen Erfahrung der führenden Familien, zum anderen in der Arbeit und den Kosten, die jedes Amt für den Inhaber einforderte.

Reichtum und Wohlstand befanden sich in den Händen des Patriziats, nicht des meist verarmten Landadels. Das Patriziat war in der Regel auch Geldgeber für den Adel bis hin zum Kaiser. Der Landadel suchte seine (reichen) Frauen im Patriziat der Städte.

Eingang zu „St. Maria im Vinea“

(St. Maria im Weinberg) – Ende des 12. Jh. erbaut – seit 1283 Kirche der Dominikaner – Umbau Chor 1. Hälfte d. 14. Jh. – Dachreiter neugotisch 1895 – seit 1826 ev. Pfarrkirche.

Gesamtansicht des Hochaltars der ev. Kirche „St. Maria im Weinberg“. Der 1666 für die Dominikanerkirche gestiftete Altar hat in seiner sorgfältigen Restaurierung 1982/83 seine ursprünglich – Altarbild „Aufnahme Mariens in den Himmel“ emporgetragen von den Engeln.

Funktionen und Bedeutung des Rates

Der Rat der Stadt Warburg bestand schon vor der Vereinigung der beiden Städte (1436) aus 12 Personen, die aus ihrer Mitte den Bürgermeister wählten. Eine Neuwahl fand alljährlich zu Beginn des neuen Jahres statt. Wahlberechtigt war nur der bisherige Rat. Diese Regelung galt schon vor der Vereinigung für beide Städte, für die Altstadt und für die Neustadt.

Im „Großen Brief“ der Vereinigung der Altstadt und Neustadt Warburgs im Jahre 1436 wurden die Bestimmungen für den künftigen gemeinsamen Rat festgelegt, die auch Gültigkeit für die jährlich stattfindende Ratserneuerung hatten. Die zwölf aus dem Amte ausscheidenden Ratsherren wählten ihre Nachfolger und zu dem noch aus deren Mitte zwei Bürgermeister, denen abwechselnd jeweils für ein halbes Jahr die Führung des Siegels und des Vorsitzes in der Ratsversammlung zukam. Einer von beiden sollte in der Altstadt, der andere in der Neustadt wohnen. Diese grundsätzlich nur einjährige Amtsdauer des Stadtrates von zwölf Ratsherren entsprach den allgemeinen Gepflogenheiten, auch dem Brauch und Herkommen der Altstadt und der Neustadt vor der Vereinigung. Gelegentlich gab es Ausnahmen, auch in anderen Städten wie Warburg, dass einige Mitglieder des Rates wiederholt in den neuen Rat übernommen wurden. An der jährlichen Selbstergänzung hielt man aber grundsätzlich in Warburg – auch in Paderborn und Lippstadt – fest.

Der Rat wurde zwar in jedem Jahr neu gewählt, die Zusammensetzung des Rates blieb jedoch relativ konstant, denn oftmals kehrten die Ratsherren und Bürgermeister alle zwei Jahre ins Amt zurück. So bekleidete im Grunde nur ein kleiner Kreis von Ratsgeschlechtern diese Ratsämter. Eine hohe Zahl von Patriziern sind für 10 oder 20 oder noch mehr Jahre in das Ratsamt oder als Bürgermeister gewählt

Das alte „Altstädter Rathaus“ – Steinbau mit dreistufigen Staffelgiebeln – hohes Kellergeschoss – erbaut 1336 als Rathaus, Festhaus, Kaufhaus und Lagerhaus – Funktion als Rathaus 1568 verloren wegen Neubau des gemeinsamen Rathauses für die Altstadt und Neustadt – wird heute als Restaurant genutzt.

Das Patriziat in Warburg fühlte sich mit dem Adel eng verbunden; mehrfach war auch ein verwandtschaftliches Verhältnis durch Heirat entstanden. Als Adelige oder Patriziergeschlechter wurden im Laufe dieser Zeit die Familien von Geismar, Nabercord, Ordecken, Gerold, von Menne, Thöne/Thonemann, Schlicker, von Höxter, von Steinheim, von Listingen, Reussen, Volmar und Schepers wiederholt erwähnt. Mehrere der genannten Familien waren auch miteinander versippt oder verschwägert. Die führenden Ratsgeschlechter sträubten sich keineswegs dagegen, auch Handwerker in ihren Kreis aufzunehmen. Es war jedoch eine Voraussetzung, dass ein gewisser Reichtum vorhanden sein mußte; denn wer ein Amt bekleiden wollte, mußte in der Lage sein, seine berufliche Tätigkeit zugunsten der Verpflichtung für das Amt zurückstellen zu können, da Ratsherren und Bürgermeister – ganz im Gegensatz zu heute – keine Besoldung oder auch Entschädigung erhielten.

Im allgemeinen – es wurde schon erwähnt – hatten die Bürger kein oder nur sehr geringes Interesse daran, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Offenbar sah die Bürgerschaft ihre Belange durch die reichen, in politischen Angelegenheiten erfahrenen und in hohem Maße gebildeten Ratsfamilien angemessen und hinreichend vertreten.

Jedoch hatte der amtierende Rat für die Dauer der einjährigen Wahlperiode nicht ausschließlich alle Macht in Händen. In bestimmten Fällen standen dem Rat zwei weitere Gremien zur Seite, zum ersten der aus dem Amte ausgeschiedene alte Rat, „Alderat“ genannt, und zum zweiten 18 „biedere Männer aus der Gemeinheit“, die von den amtierenden Ratsherren gewählt wurden, jeweils 9 aus der Altstadt und 9 aus der Neustadt. Den Vorsitz über diese Gremien führte einer der beiden letztjährigen Bürgermeister. Voraussetzung für die Tagung dieses Gremiums war eine Einladung, besser Einberufung, durch den amtierenden Rat. Eine Verpflichtung zur Hinzuziehung beider Gremien bestand für den aktiven Rat nur in dem Falle, wenn die Verabschiedung neuer Gesetze anstand.

Die Anzahl von zwölf Ratsmitgliedern war für Warburg keine Ausnahme, sondern galt für viele vergleichbare Städte; nur in sehr viel größeren Städten wurde diese Zahl überschritten; bei kleineren Städten als Warburg wurde nur ein Bruchteil der Zwölf-Zahl festgesetzt.

Dem Rat der Stadt oblag auch die gesamte Zivilgerichtsbarkeit; die Stadtrichter hatten diese fast vollständig an den Rat verloren. Seit dem 17. Jahrhundert galt das Ratsgericht auch als Berufungsinstanz für Entscheidungen des Stadtrichters.

Um die Einhaltung des Rechts der ersten Instanz („jus primae instantiae“) war der Warburger Rat streng bemüht. So mußten diejenigen, die Bürger der Stadt werden oder in städtische Dienste eintreten wollten, versprechen, einen Bürger oder Pfahlbürger vor keinem geistlichen oder auswärtigen, sondern nur vor dem Ratsgericht in Warburg zu verklagen. Der Warburger Rat war auch im Besitz eines ehemaligen landesherrlichen Rechts, der Gewerbehoheit. Im Jahre 1436 wurde dieses Recht erneut bestätigt im „Großen Brief“ bei der Vereinigung beider Städte durch Vergabefreiheit von Gilde- und Zunftbriefen; Warburg konnte auch weitere ehemals landesherrliche Hoheitsrechte erlangen und behaupten, die für die wirtschaftliche Entwicklung bedeutsam waren, wie das Zollregal, das Münzrecht und die Marktaufsicht.

Durch die ausgebaute und gefestigte Autonomie setzte sich der wirtschaftliche Aufschwung Warburgs nach der Vereinigung beider Städte weiter fort.

Die Warburger Zünfte konnten sich während des 15. und 16. Jahrhunderts eines allgemeinen, gesicherten Wohlstandes erfreuen, was nicht zuletzt daraus hervorgeht, dass sie in der Lage waren, Überschüsse zu erwirtschaften und diese gewinnbringend anzulegen, so Rentenkaufbriefe einiger Handwerkergilden.

Seit dem 15. Jahrhundert unterstand in Warburg die Marktaufsicht, die bisher landesherrliches Recht war, eindeutig dem Stadtrat. Er liess durch eines seiner zum Marktmeister bestellten Mitglieder die Qualität der angebotenen Waren auf dem Markt überprüfen, bestimmte die Preise und überwachte den Gebrauch von Maßen und Gewichten. Bei entsprechenden Vorstößen urteilte der Rat und zog Strafgelder ein.

Rückgang der Macht des Rates

Die Bestimmungen des „Großen Briefes“ von 1436 wurden vom Rat der Stadt Warburg für die Alt- und Neustadt im allgemeinen eingehalten und hatten bis zum Jahre 1667 – also 231 Jahre – Bestand. So wurden auch der alte Rat und der Gemeindeausschuss bei wichtigen Anlässen hinzugezogen, und auch die Forderung, dass einer der beiden Bürgermeister sowie die Hälfte der Ratsherren jeweils in der Alt- und Neustadt wohnhaft sein sollten, fand durchgehende Beachtung, wie aus den alten Ratsprotokollen eindeutig hervorgeht. Was die Anzahl der Ratsmitglieder angeht, auch der zwei Bürgermeister, so veränderte sich daran nichts. Auch die Ratserneuerung, wie im „Großen Brief“ festgelegt, erfolgte jährlich, und zwar in den ersten Januarwochen.

Der Landesherr in Paderborn beobachtete die großen Machtbefugnisse mit Unmut; er versuchte immer wieder, die von den Städten ausgeübten Hoheiten sowie die Stellung und Macht des Rats zu mindern. So wurde schließlich von Warburg und Paderborn im Jahre 1580 im Namen der Städte des Fürstentums die neue Münzordnung des Bischofs von Paderborn anerkannt.

1662 war es dem Paderborner Bischof gelungen, den Warburger Zoll zurückzuerhalten. 1613 gelang auch ein Eingriff in das Zunftwesen; ebenso wurde in der Mitte dieses Jahrhunderts die Zentralisierung des Gerichtswesens vorangetrieben. Schließlich gelang nach vielen bisher gescheiterten Versuchen 1667 dem Landesherrn der letztlich entscheidende Schlag gegen die städtische Selbständigkeit durch die Anordnung eines neuen Wahlmodus für die Ratsverfassung. Die Auswirkungen des 30-jährigen Krieges und die Unruhe in der Warburger Bürgerschaft über die vom Rat nach Meinung der Bürger ungerecht verteilten Einquartierungen und Kontributionen erleichterten dem Landesherrn den schon lange gewünschten Eingriff.

Der Paderborner Bischof Ferdinand II., der von 1661 bis 1683 das Land regierte, gab folgende Anordnung:

„Und damit dann auch bei kunfftiger rathswahl der verdacht aller partialität (wohl Parteilichkeit) eingestellt pleiben möge, so thun wir dem bishero gehaltenen modum eligendi (Wahlmodus) … hiermit aus landesfurstlicher macht und gewaltt und auß dazu bewegenden erheblichen ursachen zumathen auffheben.“

Mit dieser landesrechtlichen Verfügung des Bischofs von 1667 wurde das geltende Wahlrecht aufgehoben und ein neues gesetzt. In den sechs Bauerschaften der Stadt wurden auf einer Generalversammlung je zwei Wahlmänner durch Losentscheid bestimmt.

Diese 12 Wahlmänner hatten – ohne Weisungen empfangen zu dürfen – 12 Männer (keine Frauen!) als künftige Ratsherren aus der Bürgerschaft auszuwählen. Die 12 ausgewählten Personen wurden am folgenden Tag in ihre Tätigkeiten eingewiesen und von dem abgehenden Rat vereidigt. Alle Akten und Schlüssel wurden dem neuen Rat übergeben. Aus ihrer Mitte wählten die neue Ratsherren die beiden Bürgermeister.

Eine weitere Bestimmung des Landesherrn kennzeichnete den Geist jener Zeit:

„Damit es mit diesem eligendi modo so viell aufrichtiger auch gehalten werde, so soll unser zeitlicher Gogräff daselbst als unser spezialiter dazu verordneter Commissarius dieser Bürgermeisterwahl nicht allein, sondern auch dem vorigen actui beywohnen und praesidiren, die per sortem (durch Los) auß der Gemeinheit genohmenen Churmänner auch hiebei kommender Form in ayde und pflichten nehmen“ und nach Abschluß des von ihm kontrollierten gesamten Vorgangs noch entscheiden, ob nichts bedenkliches zu beobachten war.

Das bedeutete, dass die drei Wahlvorgänge von dem staatlichen Kommissar überwacht, kontrolliert und die Wahl der Zustimmung des Landesherrn bedurfte, eine früher auf Autonomie beruhende, mittelalterliche Stadtverfassung abgelöst und der Rat zu einem Gremium staatlicher Bürokratie degradiert wurde, der der ständigen Aufsicht und Bevormundung eines landesherrlichen Beamten unterstand.

Daher fand die neue Ordnung bei den alten, bewährten Warburger Ratsgeschlechtern keine Billigung. Bei der Loswahl der Wahlmänner wurde zur Gegenoffensive angesetzt und der Zufall des Losentscheids ein wenig unter der Hand beeinflußt („corriger la fortune“). Diese Bemühungen hatten ebenso wenig Erfolg wie die offiziellen Eingaben der Bürger und Adeligen beim Landesherrn. Es wurde noch schlimmer, denn der nächste Bischof Hermann Werner (1683 bis 1704) ordnete zusätzlich an, dass ein staatlicher Schatzeinnehmer (collector) für beide Städte eingesetzt werden mußte, damit die finanzielle Verfügungsgewalt (Finanzhoheit) dem Bürgermeister und Rat entzogen wurde. Erst 1739 erfolgte durch Bischof Clemens August (1719 bis 1761) eine leichte Korrektur. Die bürokratisch-absolutistische Regelung blieb aber bis zum Ende der fürstbischöflichen Zeit.

Katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptista in Warburg-Neustadt (Neustädter Kirche)

Von welcher Richtung man auch auf Warburg zufährt, von der Autobahn her oder von der Warburger Börde, von Kassel oder von Paderborn, immer erscheint zuerst der hohe Turm der Neustädter Pfarrkirche im Blickfeld. Damit wird sowohl die Lage der Warburger Neustadt auf einem rund 60 m über dem Diemeltal emporragenden Bergrücken deutlich als auch die zentrale Stellung, die der Pfarrkirche bei Anlegung der Stadt zugewiesen wurde: zusammen mit dem Marktplatz – dort stand auch das Neustädter Rathaus; – eine Gedenktafel weist darauf hin – liegt sie an einem der höchsten Punkte des Stadtgebietes, das hier nach Süden noch leicht ansteigt.

Die Entstehung der Kirche hängt ursächlich und zeitlich mit der Entstehung der Neustadt zusammen. Eine erste Urkunde erwähnt die Neustadt im Jahre 1239 als selbständige Stadt mit Ratsverfassung. Als Gründer ist Bischof Bernhard IV. (1227 bis 1247) bekannt. Wahrscheinlich hat er auch die Errichtung der Kirche veranlaßt. Das heutige Aussehen der Kirche geht auf eine gründliche Restaurierung von 1899 bis 1908 zurück. Der Turm erhielt 1902 seinen hohen gotischen Helm zurück, wie er in den Kupferstichen von Braun/Hogenberg 1581 und Merian 1647 bezeugt wurde. Der von J. C. Schlaun entworfene barocke Hochaltar von 1714 wurde 1882 abgebrochen und durch einen neugotischen steinernen 1882, entworfen vom Kölner Architekten Wiethase, ersetzt. Die Bildfenster der Kirche sind ein qualitätsvolles Beispiel einer historischen Verglasung. Die steinerne Renaisance-Kanzel von 1611 zeigt in der Mitte den Kirchenpatron Johannes Baptista, darunter das Feld mit dem Stifterwappen von Heinrich Buelicken. Das lateinische Chronogramm an der Kanzel mahnt: „Verkündige das Wort, bestehe darauf, ob gelegen oder ungelegen“. Sehenswert sind: die gotische Pieta von 1370 und Christus als Schmerzensmann von 1500, der spätgotische Flügelaltar „Charvinaltar“ in der Herz-Jesu-Kapelle um 1450 und schließlich „Taufe Christi“, eine von J. C. Schlaun 1719 geschaffene Figurengruppe.

Beim Umschreiten der Kirche zeigt sich eine Zweiteilung schon hinsichtlich des verwendeten Baumaterials; die westlichen Teile einschließlich des Turmes und der später angefügten Seitenkapelle sind aus grau-weißem Kalkstein, der Chor aus rotem Sandstein. Vom Marktplatz aus gesehen, dominiert heute der wuchtige 77 m hohe Westturm sowohl die Platzarchitektur des Marktplatzes wie das Kirchengebäude.

Die Neustädter Pfarrkirche in Warburg „St. Johannes Baptista“ – der Turm erhielt 1902 einen hohen gotischen Helm zurück – gründliche Restaurierung 1899 – 1908.

Die Neustädter Pfarrkirche (katholisch) – die unterschiedlichen Bauabschnitte sind deutlich erkennbar

Seuchen, Fehden und Stadtschulden bewirken wirtschaftlichen Abstieg

Die regelmäßige Wiederkehr der Seuchen bescherte Warburg aus mehreren Gründen einen lang anhaltenden Rückgang: da war zum ersten die Bevölkerung im Stadtgebiet selbst betroffen, und ihre Sterbequote stieg immens; zum zweiten verlor die Stadt bei so stark zurückgehender Bevölkerung einen großen Teil ihrer Funktion als Getreidemarkt; da keine Nachfrage nach Getreide infolge sinkender Einwohnerzahl vorhanden war, konnten auch die geschäftstüchtigen Kaufleute ihre Produkte nicht mehr absetzen. Dieser Rückgang betraf auch die Produktion und den Absatz von Textilien. Und zum dritten verlor Warburg auch die Zulieferer aus dem Umland, besonders der ertragreichen Warburger Börde. Offenbar wurden die Epidemien über die Handelsstraßen von Ort zu Ort weiter übertragen.

Noch ein weiteres kam hinzu: Während des 14. und 15. Jahrhunderts wurde der Niedergang durch zahlreiche Fehden beschleunigt. Dafür waren gesellschaftliche Umschichtungsprozesse und mangelnde institutionelle Staatlichkeit im Hochstift Paderborn verantwortlich. Hinzu kam die finanzielle Schwäche der Stadt Warburg; Geld mußte in größerem Umfang geliehen werden; die Bürger jedoch waren durchaus noch zahlungskräftig.

Die Unsicherheit in den beiden Städten (Altstadt und Neustadt) konnte nur durch die Verbesserung der Wehrfähigkeit abgemildert werden. Nach der Zusammenlegung im Jahr 1436 wurden der Ausbau und die Renovierung der Mauern und Türme in Angriff genommen. Der Sackturm entstand 1443 in diesem Programm für die Verbesserung der Wehrfähigkeit. Die Warburger Bürger wurden dabei auch zu erhöhten Leistungen herangezogen. Der qualitative Umfang der Leistungen umfaßte finanzielle und naturale Anstrengungen. Dazu rechneten der „schott“, eine Steuer auf Liegenschaften, das „perdegeld“, ein Wehrbeitrag, „bolwerkes“, Arbeiten an der Stadtbefestigung, „wachte“, Wachen im Rahmen der Nachbarschaft oder Bauerschaft, sowie bestimmte „pfllichten und denste“.

Frankenturm von 1350 – Wehrturm im Doppelmauerring an der Nordseite der Neustadt Warburg (14. Jahrhundert).

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts konnten Maßnahmen erfolgen, die zunächst auf Umschuldung, später auf Rückzahlung der städtischen Schulden abzielten. Die Warburger Jahr- und Wochenmärkte gewannen nach und nach wieder eine neue Attraktion. Die Wechselkurse für die Warburger Münzen und rheinische Goldgulden sowie Münsteraner, Osnabrücker und Dortmunder Goldprägungen wurden ab 1480 regelmäßig auf dem Warburger Markt festgelegt.

Die Zeit der Reformation

Die Reformation und ihre Folgen gingen an Warburg nicht spurlos vorüber. Der Warburger Rat hatte zwar für sein Hoheitsgebiet alle agitatorischen Predigten unterbunden und bei allen Gelegenheiten die katholische Religion verteidigt, jedoch konnten die Versammlungen vor den Toren der Stadt nicht wirksam bekämpft werden. Durch das öffentliche Auftreten des Neustädter Pfarrers Otto Beckmann, der 1476 in Warburg geboren wurde, konnte sich die neue Lehre nicht durchsetzen; Beckmann maß – wie Luther – dem Predigtamt eine überragende Bedeutung zu und setzte diese Möglichkeit der Glaubensbelebung in hohem Maße ein. Er hatte in Leipzig und Wittenberg studiert und dort den Lehrstuhl für Grammatik erhalten, lernte Martin Luther kennen und schätzen, akzeptierte eine Reform der Kirche, folgte aber Luther in seinem Kampf gegen das Papsttum nicht. Eine Demonstration von Gegnern der alten Kirche während der Weihnachtsmesse anläßlich seines Aufenthalts im Jahre 1522 in seiner Heimatstadt Warburg erregte ihn so stark, dass er seine Professorenstelle in Wittenberg aufgab, um seinen „lieben Mitbürgern (von Warburg) Lehrer und Mahner zu sein“. Er machte den Bürgern klar, dass viele von ihnen nur Namenschristen seien, forderte sie ganz entschieden zum Besuch der sonntäglichen Predigten auf und unternahm eine Predigtreihe über die sieben Bitten des Vaterunser, um die Glaubensbekenntnisse der Zuhörer zu verbessern. Nach lutherischem Vorbild ließ er die wichtigsten Gebetstexte in der sonntäglichen Messe laut vortragen. Er monierte die Gleichgültigkeit und Lauheit der Christen und folgerte, dass Gott solche Gleichgültigkeit mit Krankheit, Seuchen, Mißernten und Kindersterben bestrafe. Sein Wirken in Warburg hatte großen Erfolg durch sein stetiges und konsequentes Eintreten für ein glaubensstarkes Verhalten in Gottesliebe und Menschenwürde. Bis zu seinem Tode blieb der gute Prediger Pfarrer an der Neustadtkirche St. Johannes Bapista in Warburg. Sicherlich ist es in besonderem Maße auf ihn zurückzuführen, dass reformatorische Gedanken in Warburg und Umgebung (zunächst) ohne Chancen blieben.