Dr. Heinrich Thöne/Thonemann

Stifter des Warburger Gymnasiums und Stifter eines Evangeliars – ein großer Wohltäter

Stiftung und Stiftungszweck

Die heute „Gymnasium Marianum“ genannte Schule in Warburg – nach dem Paderborner Gymnasium die zweitälteste höhere Schule im früheren Hochstift Paderborn – besteht seit mehr als 360 Jahren. Sie wurde im Jahre 1628 als Klosterschule gegründet. Die Gründung dieser ersten öffentlichen höheren Schule wurde erst ermöglicht durch die Schenkung (Stiftung) von Heinrich Thöne im Jahre 1619, durch die damit erfolgte Sicherstellung der Unterhaltszahlung für die erforderlichen Lehrkräfte. Denn die Stadt Warburg, die ein großes Interesse an der Gründung und dem baldigen Schulbeginn hatte, verfügte in dieser Zeit des 30-jährigen Krieges nicht über die finanziellen Mittel, die zur Bestreitung der Personalkosten notwendig waren. Warburg hatte als Grenzstadt zwischen dem Hochstift Paderborn und den protestantischen Territorien in Hessen immer wieder unter Plünderungen, Zerstörungen, Einquartierungen und Kontributionen zu leiden und damit eine Schuldenlast, die noch jahrzehntelang nach dem Krieg andauerte und keineswegs in diesen Jahrzehnten die finanziellen Mittel, die zur Gründung und Sicherstellung einer höheren Schule erforderlich waren.

Heinrich Thöne stammte aus Warburg; er war im Jahre 1566 als ältester von fünf Söhnen geboren aus der ersten Ehe des Ratsherrn und Stadtkämmerers in der Altstadt Johann VI. Thöne (Bruder von Martin Thonemann, dem Abt von Hardehausen) mit seiner Frau Gertrud, geborene Volmar – beide aus einem reichen Patriziergeschlecht. Gertrud Volmar war die Schwester des Bürgermeisters Cord Volmar, dessen beide Brüder Universitätsprofessoren zu Mainz waren. Ihre Mutter Angela war die Erbtochter der Bürgermeisterfamilie von Listingen, Tochter und Schwester eines Bürgermeisters und auch Schwester des Probstes zu Fritzlar und Dekans von St. Stephan in Mainz, Johann von Listingen. Heinrich Thönes Großvater war Johann V. Heinrich Thone, genannt Thonemann, der direkte Vorfahre unserer Familie Thonemann heute.

Im Jahre 1619 war Heinrich Thöne Kantor und Kanonikus am Augustinerchorherrenstift zu St. Viktor in Mainz. Er schenkte seiner Heimatstadt Warburg ein Kapital von 2000 Reichstalern mit der Verpflichtung, dass für die 100 Taler jährlicher Zinsen eine höhere Schule mit zunächst drei Klassen (Infima, Secunda, Syntaxis) unterhalten werden sollte. Diesen Betrag von 2000 Reichstalern hatte Heinrich Thöne dem Erzbischof von Mainz als Darlehen ausgeliehen als Beitrag zu den Kosten des Böhmisch-Pfälzischen Krieges. Die Stiftungsurkunde von 1619 legte ausdrücklich fest, dass der Rat der Stadt Warburg die Zinssumme von 100 Talern für den Unterhalt von „Gelehrten“ verwenden, ebenso dass die Bildungsaufgabe dem Dominikanerorden in Warburg übertragen werden sollte.

Die Schule wurde erst 1628 eröffnet, nachdem der Oberst Erwitte, Führer der ligistischen Truppen, der wiederholt in Warburg war, noch 50 Reichstaler hinzugespendet hatte (Urkunde vom 10. April 1628).

Dem Stiftungszweck entsprechend sollte die neue Schule der „besseren erziehung der studierenden knaben“ dienen und im Kloster eingerichtet werden.

Die Gründung einer höheren Schule entsprach nicht nur einem in der Bürgerschaft vorhandenen Bedürfnis, der Jugend in Warburg eine bessere und weiterführende Bildung zu ermöglichen; sie stand wohl auch im Zeichen der Gegenreformation und war vom Stifter in diesem Sinne initiiert. In seinem Testament ging Heinrich Thöne davon aus, dass der katholische Glaube in seiner Heimatstadt Bestand habe oder eine Rekatholisierung von Erfolg begleitet sei.

Wörtlich in der Stiftungsurkunde zum Stiftungshintergrund: „damit man in Warburg, so nuhnmehr ab haereticis purgiert, reformiert und katholisch ist, desto bass Gelehrte zu der Tugend in loco habe“.

Er verknüpfte die Zahlung der jährlichen 100 Taler an „Herrn Bürgermeister, Rhat und gantzer Gemeind beider Stette“ sogar mit der Auflage: „sofern sie bei katholischer Religion verbleiben werden“.

Die Schule wurde 15 Jahre später, 1643, zu einer fünfklassigen Vollanstalt ausgebaut; dazu verpflichtete sich die Stadt Warburg gegenüber den Dominikanern, den neuen zusätzlichen Lehrern jährlich 30 Taler zu zahlen und versprach eine spätere Aufstockung um 10 Taler bei besseren Zeiten. Die zusätzlichen Klassen hießen Poetica und Rhetorica. Nach der Kirche „b. Mariae Virgines in vinea“, der Dominikanerkirche, wurde die Schule „Gymnasium Marianum“ benannt.

Die Leitung der Schule lag in den Händen eines „Pater Praefektus“ (Direktor), der die Aufsicht über den ganzen Unterricht ausübte und dem Prior des Klosters verantwortlich war. Eine übergeordnete Schulaufsicht bestand zu der Zeit noch nicht. Soweit die Schülerzahl es ermöglichte, unterrichtete in jeder Klasse ein Lehrer, und zwar in allen Fächern. Die Lehrer, die „Professores“ genannt wurden, waren wissenschaftlich ausgebildet an den Ordenshochschulen. Jedoch brachten sie für den Unterricht keine besondere pädagogische Vorbildung mit. Wenn sie alle fünf Klassen unterrichtet hatten, wurden sie meistens zu anderen Aufgaben abberufen.

Der Schulunterricht war unentgeltlich; jedoch mußten die Schüler für die Schulbücher, in denen der Unterrichtsstoff für die Fächer einer Klasse zusammengefaßt war, einen gewissen Beitrag bezahlen.

Die Schüler stammten durchweg aus der Stadt Warburg und den umliegenden Ortschaften. Viele der Schüler, die nicht die Absicht hatten, später „gelehrte Berufe“ einzuschlagen, besuchten nur die drei unteren Klassen; die Abiturienten nach fünf Jahren Schulbesuch traten zum geringeren Teil in den Dominikanerorden ein; die größere Zahl der Schulabgänger wandte sich dem Universitätsstudium zu.

J. C. Schlaun – Schüler dieses Gymnasiums

Einer der bekanntesten Schüler oder Abiturienten dieser Warburger Klosterschule war der im Jahre 1695 in Nörde bei Warburg geborene Johann Conrad Schlaun, großer Baumeister berühmter Schlösser, tätig in Italien und Frankreich, Süddeutschland und seit 1723 in Münster/Westfalen, dort 1745 Oberbaudirektor und Generalmajor. Er brachte den westfälischen Barock durch kraftvolle, einfallsreiche Durchdringung des bodenständigen Ziegel- und Haussteinbaus mit westlichem Klassizismus zu einer bedeutenden Spätblüte. Seine vielseitige Schloss- und Wohnbaukunst gipfelte im Erbdrostenhof (1753 bis 1757) und dem Residenzschloss in Münster (1767 bis 1773); die von ihm erbaute Clemenskirche (1745 bis 1753) in Münster ist der gedankenreichste Zentralbau in Nordwestdeutschland. In unserer Heimat ist Schlaun gut bekannt durch die schönen Bauten in Münster, besonders aber durch das Jagdschloss Clemenswerth (1736 bis 1750). Viele weitere hervorragende Bauwerke sind von diesem großen künstlerischen Baumeister Johann Conrad Schlaun der Nachwelt überliefert.

Die Warburger Dominikanerschule in dieser Art endete, weil durch eine Königlich-Preußische Kabinettsorder vom 31. Dezember 1824 das Dominikanerkloster in Warburg endgültig aufgehoben wurde. In veränderter Gestalt als Progymnasium wurde die Schule schließlich fortgeführt, da die Bürger und die Stadtverwaltung von Warburg durch zahlreiche Gesuche und Eingaben bei der preußischen Unterrichtsbehörde die 200 Jahre erfolgte Schulbildung der Warburger Kinder nicht missen wollten.

Es ist bei einem Rückblick auf die langen Schuljahre schon erstaunlich, mit welchem Idealismus, Opfermut und einer hohen Begeisterung für Bildungsbelange in den schwierigen Jahrzehnten sowohl Stadt als auch Bürger zu ihrer Schule standen.

Dr. Heinrich Thöne – ein großer Wohltäter – der Stifter des Evangeliars

Heinrich Thöne besuchte das berühmte Jesuitengymnasium zu Mainz und studierte anschließend an den Universitäten Mainz und Köln und promovierte 1585 zum Magister der schönen Künste. Er wurde Benefiziat (Nutznießer von Grundstücken gegen Leistung von Diensten) in Warburg und Neuenherse und Kanonikus (Mitglied eines Ordens) in Hildesheim und Mainz, auch Kantor (Vorsänger, Leiter der Schule) und schließlich Kurmainzer Geheimer Rat. Nach Mainz, zu dieser Bischofsstadt, hatten ihn sicherlich die Familientradition und verwandtschaftliche Beziehungen geführt, denn schon sein Großonkel Magister Cord IV. Thöne war Probst an St. Stephan in Mainz gewesen und der Bruder seiner Mutter, der Geheime Rat Dr. Heinrich Volmar, war hier allgemein bekannt und geachtet.

So erhielt er als Neffe dieses Prälaten auch bald nach dessen Tod die gleichen Stellen, die schon der Onkel innegehabt hatte. Als Scholaster 1621 an St. Victor übernahm er das Amt des Novizenmeisters bei den zukünftigen Chorherren und war gleichzeitig Bibliothekar des Stiftes. Ganz zweifellos hatte man in ihm den richtigen Bibliophilen gefunden, denn er stiftete anläßlich seiner Ernennung ein Evangeliar, ein Werk, das heute noch die Zierde des Mainzer Domschatzes bildet. Es handelt sich um eine heute (1994) 600 Jahre alte, etwa 1400 gefertigte Pergamenthandschrift, die reich mit Initialen und Randleisten versehen ist und die der Stifter Thöne/Thonemann vor 375 Jahren durch einen Goldschmied mit einem prächtigen, silbervergoldeten Einband versehen ließ. Auf der Vorderseite des Einbandes der Pergamenthandschrift befindet sich in einer kassettenartigen Vertiefung eine vergoldete Kreuzigungsgruppe mit Jesus, Maria und Johannes sowie zwei Engel mit Kelchen in massiven, plastischen Figuren in barocker Umrahmung. Auf der Rückseite des Vorderdeckels steht folgendes: „Ad gloriam Dei Optimi Maximi et suorum sanctorum Evangeliorum ego Henricus Thönen Warburgensis Westfalicus, cantor et canonicus St. Victoris, hunc librum exterius exornari feci anno Dn. 1621“.

Beschreibung des zum Teil aus dem 15. Jahrhundert stammenden Evangeliars von Dr. Heinrich Thöne (Thonemann), Kantor und Kanonikus von St. Viktor (1621).

Einband:
Deckel ist ein hoher Holzkasten, außen mit rotem Leder bezogen.
Vertiefung und Seitenwände des Kastens mit versilbertem Kupferblech ausgeschlagen.
In vergoldeter Auflage gegossene Figürchen und durchbrochene Ornamentecken.
Christus am Kreuz mit Maria und Johannes. Zwei Engel mit Kelchen.
Oben Wappen mit Kleeblattkreuz. dat. 1621.
Bis 1621 dem Stift St. Victor gehörig, dann bis 1793 St. Johannes, dann dem Dom.

(Foto: Magrit Hankel 2001)

Handschrift:
Pergament fol. 31,6 x 23 cm, gotische Minuskel mit blau-roten Filigranbuchstaben und Rankenmuster.
Ab Blatt 10 die Umrahmungen roh im 17. Jahrhundert übermalt. Auf Vorsatzblatt Eintragungen von 1621. Verkehrt gebunden. Um 1400.

(Foto: Magrit Hankel 2001)

Heinrich Thöne war eine begüterte Persönlichkeit; ein großer Reichtum, aber auch eine stets gebende Hand zeichneten ihn aus; ein großer Wohltäter für das Hospital in Warburg, ebenso ein „Großwohltäter“ für das Hospital in Mainz, auch für die Armen seiner Vaterstadt Warburg. Er war der Stifter zweier Familienstipendien und vor allem Stifter des Warburger Gymnasiums.

Allgemein bekannt müssen seine sprudelnden Geldquellen gewesen sein, denn der Landgraf Ludwig V. von Hessen lieh sich zur Gründung der Universität Gießen bei Heinrich Thöne im Jahre 1607 den hohen Betrag von 5066 Gulden und 3000 spanische Taler. Auch der Pfalzgraf Johann von Zweibrücken, Valdenz, lieh sich von im 500 Goldgulden, die beiden Kurfürsten von Mainz, Johann Schweickart und Anselm Casimir, je 2000 Taler sowie der Graf von Waldeck 400 Taler, schließlich der Graf von Rietberg 150 Goldgulden.

Als das Hospital St. Cyriaci für arme Leute in seiner Heimatstadt Warburg baufällig wurde, „daß es den Pilgern und sonstigen Insassen gegen Wind und Regen keinen Schutz mehr böte“, stellte Heinrich Thöne 600 Taler für Ausbesserung und für Anbauten zur Verfügung und vermachte darüber hinaus zur weiteren Sicherung testamentarisch der Anstalt sein Haus in Warburg, das ihm aus der Erbschaft seines Großonkels, des Bürgermeisters Hermann von Listingen, zugefallen war. Gleichfalls überwies er zur weiteren Sicherstellung der sozialen Arbeit dem Hospital als Schenkung seines Onkels Heinrich Volmar 1618 eine Landfläche von 50 bis 60 Morgen (1 Morgen = 0,25 ha), dazu auch drei Gärten und eine Wiese; damit könnte man durch diese die Zukunft des Hospitals sichernden Dotationen das Warburger Hospital gleichsam als eine Familienstiftung der Listingen – Volmar – Thöne bezeichnen. Die Hospitalleitung übertrag wegen dieser großzügigen Schenkung der Familie Thöne das Recht, zwei der zwölf Hospitalkammern von sich aus an bedürftige Leute zu vergeben. Gleichfalls erhielt das zweite Hospital St. Lucia in Warburg-Molhausen 700 Taler zu einem Neubau. Die größte Schenkung auf dem caritativen-sozialen Gebiet erhielt das Barbara-Hospital in Mainz mit der Gesamtsumme von 1000 ungarischen Goldgulden und 2000 Reichstalern im Jahre 1607. Diese Summe wurde später durch sein Testament noch verdoppelt.

Auch die Wissenschaft erhielt größere Summen von Heinrich Thöne; die bei der Gründung der Universität Gießen im Jahre 1607 an Landgraf Ludwig V. gegebene Summe von 5066 Gulden und 2000 spanischen Talern wurde 1613 noch um 1000 spanische Taler aufgestockt.

Es ist schon verwunderlich, dass hier ein katholischer Stiftsherr, der aus der gegenreformatorischen Schule der Jesuiten hervorgegangen ist, einem lutherischen Fürsten zur Gründung einer lutherischen Universität diese für damalige Verhältnisse gewaltig-großen Geldbeträge zur Verfügung stellte. Fürwahr zeugte dies von großartiger Toleranz und Geistesgröße dieses edlen Spenders. Hätten nur die reichen (Kirchen-) Fürsten in der Folgezeit etwas von dieser Geisteshaltung übernommen.

Alle diese großen Schenkungen und Wohltaten entsprachen seinem großen Geist und seiner Grundauffassung, notleidenden Institutionen und Menschen zu helfen, wo immer er um die Bedürftigkeit wußte. Dr. Wilhelm Thöne aus Bad Soden hat die gesamten Stiftungen und Spenden, die in erhaltenen Urkunden erfaßt waren, im Jahre 1936 einmal aufgelistet und in einem Schriftsatz einem Verwandten mit 780.000 Reichsmark angegeben (1994 etwa DM 9 bis 10 Millionen oder 2000 etwa 4,6 bis 5,1 Millionen EUR).

Sein ausgeprägtes Familien- und Heimatgefühl ließ seine Geburts- und Heimatstadt Warburg nie in Vergessenheit geraten. Bis zu seinem Tode fühlte er sich der Familie und der Heimat eng verbunden. Wieviel Gutes hat dieser vorbildhafte Mann aus unserer Familie zusätzlich zu den in den Akten festgehaltenen Schenkungen wohl in aller Stille getan?

Alle diese Wohltaten und guten Werke überdauerte das Gymnasium Marianum in Warburg und das Evangeliar, das uns immer an diese, edle, feinsinnige, begnadete und freigiebige Persönlichkeit zu erinnern vermag. Und vermag seine tiefe Gläubigkeit, seine Treue zur Kirche und sein Verhalten zu seinen Mitmenschen uns heute nicht doch noch etwas zu sagen?

Heinrich starb am 30. Mai 1637 in Mainz. Wo immer man auf den Namen Heinrich Thöne trifft, handelte es sich stets um großzügige Schenkungen und Stiftungen. Sicherlich war schon ein großer Reichtum früher in der Familie Thöne/Thonemann vorhanden. Es kam auch vieles hinzu. Um die Wende zum 17. Jahrhundert starben mehrere begüterte Familien – von Listingen, Volmar, von Reußen – aus, deren Besitz und Vermögen ebenfalls an die Familie Thöne fielen. Auch die reichen Prälaten Johann von Listingen und Dr. Heinrich Volmar vermachten Heinrich Thöne ihre ertragreichen Pfründe.

In Warburg war die Familie Volmar, die von 1400 bis 1600 als Ratsherren registriert waren, versippt mit von Listingen, Thöne, Lauren und Berven. Mitte bis Ende des 16. Jahrhunderts starb die Familie in Warburg aus. Durch Dr. Heinrich Volmar, Probst in Fritzlar, Dekan und Rektor der Universität in Mainz, der ein Stipendium für Warburger Studenten stiftete, das auf Dr. Heinrich Thöne überging, wurde über die Familie Thöne und ihre Nachkommen zahlreichen Studenten aus Warburg ein Studium ermöglicht.