Die Thonemann-Linie in Australien

Aus der am 06.05.1787 in Scherfede geschlossenen Ehe von Johann Heinrich Thonemann (* 15.05.1758 in Scherfede, † 25.03.1814 in Scherfede) und Eva Margareta Engemann (* 05.01.1765 in Rimbeck, † 25.03.1814 in Scherfede) stammen zwölf Kinder, u.a. Augustus Louis Emilius Thonemann (* 14.12.1803 in Scherfede, † 29.06.1852 in Höxter). Augustus Louis Emilius war zweimal verheiratet. Mit seiner zweiten Ehefrau (oo 1829 in Münster) Caroline Fredericke Jacobi hatte er drei Kinder, Louis (06.09.1830 in Berlin, † 11.11.1882 in Carlton (Australien)), Emil Julius (03.02.1832 in Berlin, † 14.10.1874 in Bad Driburg) und Malvine († 1893 in Höxter). Emil Julius Thonemann, Begründer der australischen Linie, war verheiratet mit Mary Noble und ihr Sohn Frederick Emil (* 1860 in Melbourne (Australien), † 1939 in Melbourne), einer von elf Kindern, war Börsenmakler in Australien.

Frederick Emil Thonemann, mein Vater, war der Sohn von Julius Emil, der 1854 mit der „Antoinette Cezard“ nach Australien segelte. Emil und sein Bruder Louis waren aufeinanderfolgend zu Konsuln von Victoria, Australien, des österreichisch-ungarischem Königreich (1871 – 1875) ernannt worden. Der genaue Grund für ihre Auswanderung und das spätere Erwerben der britischen Staatsangehörigkeit unter Queen Victoria sind zur Zeit nicht bekannt. Der meist wahrscheinliche Grund sind politische Unruhen in Deutschland.

Mein Vater wurde 1860 in Melbourne geboren und besuchte dort das Gymnasium (Melbourne Church of England Grammar School, in St Kilda Road). Er hatte einen Bruder mit dem Namen Louis Arnold und eine Schwester (oder Stiefschwester) mit dem Namen Minna Augusta. Keiner von den beiden Letztgenannten heiratete.

Frederick Emil Thonemann (*1860, †1939)

Mein Vater begann seine Berufstätigkeit als „Office boy“ – wahrscheinlich in dem früheren Geschäft seines Vaters. Seine einzigartige Fähigkeit die Qualität von Wolle mit seinen Fingerspitzen zu fühlen, ermöglichte es, dass er sich im Wollmaklergeschäft mit der Firma Thonemann and Lange niederließ.

Das Geschäft meines Vaters florierte und er war in Lage, sich als Börsenmakler niederzulassen. F. Thonemann and Sons – National Mutual Building, Melbourne. Er ging 1930 in Pension und sein Geschäft wurde von seinem ältesten überlebenden Sohn Eric weitergeführt.

Die Geschäftsinteressen meines Vaters waren vielseitig und unterschiedlich, einschließlich einer großen Viehfarm in den Northern Territory, genannt Elsey und Hodgson, 16.187 qkm groß, am Roper River. Als mein Vater 1939 starb, wurde die Viehfarm verkauft. Das Land ist verewigt in einem Buch und in einem Film „We of the Never-Never“. Ein Buch meines Stiefbruder Eric (er führte die Elsey für einige Jahre) ist kürzlich in der British Library entdeckt worden. Der Titel lautet: „Tell the White Man“ und ist in der Ich-Form geschrieben. Es beinhaltet die Lebensgeschichte einer Aboriginal, deren Stamm den Wohnsitz in diesem Teil von Australien hatte (veröffentlicht 1949 in Australien von Collins Publishers).

Ungefähr 100 km nördlich von Melbourne kaufte mein Vater etwa 4 qkm teilweise kultiviertes, teilweise mit Regenwald bestandenes Land. Der Name war: „Beenak“. Ich erinnere mich, dass dieser Besitz hoch über der Umgebung lag. Er baute ein großes Haus mit Fischteichen, Blumengärten, Croquetrasen und Gemüsegarten. Der Besitz war umgeben von einer 6 m hohen Ilex-Hecke (Stechpalme). Man erreichte Beenak mit einem Zug von Melbourne, der bei Yarra Junktion hielt. Von dort ging es weiter mit einer Schmalspureisenbahn, welche zum Tal nach Williamstown zuckelte. Diese Bahn wurde benutzt um die gefällten Stämme des Regenwaldes herunterzubringen. Mein Vater ermöglichte es uns, die 5 km, die über schlammige Straßen führten, in seinem Chevrolet-Transporter zum Grundbesitz zu fahren.

1919 wurde das Haus durch ein Feuer zerstört. Danach, wenn jemand aus der Familie zu Besuch kam, wohnten sie mit dem Farmer in dem Haus tiefer unten im Land. (Das eigentliche Land wurde bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts nicht verkauft, hinterlassen wurde es seiner Witwe.)

Beenak lag etwa 520 m über dem Meeresspiegel, umgeben von einem Staatsforst mit gewaltigen Eycalyptusbäumen. Anfänglich ritt mein Vater von Melbourne nach Beenak. Auf seinem Weg hielt er in Box Hill. Später, ungefähr 1917, kaufte er ein offenes Auto und reiste nun komfortabler. Meine Mutter jedoch weigerte sich nach Beenak zu reisen, nachdem das Auto zugunsten der Eisenbahn aufgeben wurde.

„Merriyula“ war der Name des Hauses auf dem Gipfel dieses Berges. Dort gab es keine Elektrizität, kein Gas, keine Wasserversorgung und auch keine anderen nützlichen Dinge des modernen Lebens. Das Wasser wurde mit Hilfe einer Vierzylinder-Hydraulik-Preßkolben-Maschine aus einem Damm, ungefähr 1,6 km entfernt, gepumpt.

Durch die Erzeugnisse aus dem Gemüsegarten und der Farm war man unabhängig (Selbstversorger). Licht kam von Kerosinlampen. Ich vermute, dass das Feuer, welches das Haus zerstörte (die Familie war anwesend), im Lampenraum ausbrach. Mein Vater zündete jeden Abend die Lampen an. Nichts blieb übrig von dem Haus außer der Ziegelsteinschornstein und der große Eisenherd.

Vor dem Eingang des Hauses standen zwei riesige beschützende Bäume.

Ich bin erstaunt über die Arbeit, welche es erfordert haben muss, diesen Besitz zu errichten. Ich bin dankbar, dass ich die Ferien dort verbringen durfte.

Mein Vater Frederick Emil ist, soweit wir wissen, nicht im Taufregister verzeichnet und zwar deshalb nicht, weil mein Großvater, Julius Emil, mit Mary Noble, geborene Piper, nicht verheiratet war („common-law“ wife). Diese stabile Beziehung brachte mehrere Kinder hervor. Der Grund für diese, zu der damaligen Zeit unkonventionellen Vereinbarung scheint gewesen zu sein, dass Mary Noble (meine Großmutter) mit dem unauffindbaren Mr. Noble verheiratet war und es damals nicht möglich war, eine legale Scheidung, in der Art und Weise wie heute, zu erhalten. Ungeachtet dessen scheint ihre Vereinigung dennoch eine glückliche gewesen zu sein, und in seinem Testament spricht Emil mit Zuneigung von der Frau, die ihr Leben mit ihm teilte und ihm seine Kinder gebar. Meine Großvater kehrte 1874, vielleicht aus geschäftlichen Gründen, nach Deutschland zurück und starb verfrüht im Alter von 49 Jahren. Somit liegt er in dem Land begraben, woher er kam. Er ist der Vorfahre (mit seiner englischen Lebensgefährtin) von allen Thonemanns in Australien und Großbritannien. Es gab neun Kinder aus dieser Vereinigung (möglicherweise noch einige Stiefkinder), aber nur vier überlebten den Jahrhundertwechsel (zum 20. Jahrhundert).

Mein Vater war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war Margaret, geborene Service. Sie gebar ihm drei Kinder. Emil Howard, geboren 1891, gefallen im 1. Weltkrieg in Frankreich. Sein Name ist verzeichnet auf dem berühmten Denkmal in der Nähe von Arras bei Sir Edward Lutyens. Die beiden anderen Söhne waren auch Soldaten, aber sie überlebten.

Mein Vater heiratete 1913 zum zweiten Male. Während einer Reise nach Großbritannien traf er ein junges schottisches Mädchen aus Glasgow. Wie sie sich trafen, weiß ich nicht, aber es war eine sehr vorteilhafte Partie für eine achtbare, aber nicht besonders bedeutende – zum Mittelstand gehörende – schottische Familie mit dem Namen Fyfe.

Im Alter von 18 Jahren verließ meine Mutter, Mabel Jessie Fyfe, ihr Geburtsland um auf der andere Seite der Welt zu leben. Sie kehrte nie zurück, außer für kurze Ferien. Ihr Mann, mein Vater, war beträchtlich älter als sie.

Mabel Jessie Thonemann gebar vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter. Die vier sortiert nach dem Geburtstag waren Frederick Fyfe (1914), Peter Clive (1917) Gwenda Hope and Ronald Howard. Der Älteste (mein Bruder Frederick) ist tot und dies führt dazu, dass ich der älteste überlebende Sohn der australischen Linie bin. Alle vier Kinder haben Familien.

Frederick Emil verbrachte sein Leben in Melbourne, Australien, außer für kurze Besuche in Großbritannien. Mit seiner zweiten Frau lebte er in einem Vorort von Melbourne, genannt Kew. Mein Bruder Frederick und ich besuchten das Melbourner Gymnasium, wie es schon unser Vater getan hatte. Seit dieser Zeit lebte die Familie auf der 33 Burke Road.

Mein Vater ging 1930 in den Ruhestand und lebte bis 1939 (lang genug um zu sehen, wie seine zwei Söhne an der Melbourner Universität graduierten). Es ist von Interesse, dass unsere Familie nichts von unseren Ahnen erfahren hatte, noch hat sie je die Schwester des Vaters, Minna, getroffen (obwohl sie in Melbourne wohnte). Dies kann mit der Tatsache erklärt werden, dass 1914 der 1. Weltkrieg mit Deutschland ausbrach und meine Stiefbrüder bei den Alliierten dienten.

Ich wurde am 3. Juni 1917 in einem Haus mit Namen „Rathgawn“ in Kew, Melbourne, geboren. Es war ein großes und weitläufiges Gebäude, dass später Sitz der Heilsarmee wird. Später zogen wir in ein kleineres Haus auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. (In meinen Kindheitserinnerungen wirft meine Mutter einen Teppichläufer über einen Kiwi (Laufvogel), der uns, während wir im Garten zu Abend aßen, besuchte. Der Vogel wurde in einen Käfig getan, wo er sich anscheinend vollkommen glücklich fühlte.)

Ich traf niemals die Großeltern väterlicherseits.

Mein Vater, wie ich bereits erwähnte, sprach nie über seine Verwandten, ob lebend oder tot, ebenso nicht über seine finanziellen Angelegenheiten.

1936 begann ich mit den Physikstudium an der Melbourner Universität. Dort lebte ich einem Ein-Zimmer-Apartment. Mein Bruder Frederick trat in das Debattierteam der Universität ein, das durch die Welt reiste und wir sahen uns kaum. Meine Schwester Gwenda, nun 10 Jahre alt, ging zur Schule. (Als einziges Mädchen in der Familie wurde sie erbarmungslos geneckt.)

Ich genoß meine Zeit an der Universität. Ich spielte Billard, gelegentlich Tennis und war insbesondere Mitglied im Skiteam der Universität, dass den Mt. Hotham besuchte.

1940, als der Krieg ausbrach, mußte ich in den Forschungsstätten für Munitions Supply in Maribrynong, Victoria, arbeiten. Dort blieb ich bis 1942. Ich verließ diese, um in der Forschungsabteilung von Amalgamated Wireless in Ashfield bei Sydney zu arbeiten. 1944 erhielt ich die Möglichkeit an der Sydneyer Universität in Naturwissenschaft (Physik) zu promovieren (Victor Bailey war der Leiter des Instituts.)

Es war in Ashfield, wo ich meine künftige Frau traf. Wir haben zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Mein Sohn, ein Schullehrer in London, graduierte im Balliol College in Oxford.

Wales 2000

Peter Clive Thonemann
Emeritus Professor
Universität von Wales

Dieser Artikel „The Thonemann branch in Australia“ ist aus dem Buch „Confessor of the Last of the Habsburgs“ von Helena Fyfe Thonemann, Seite 110 bis 113.
Die Übersetzung aus dem Englischen erfolgte durch Ralf A. H. Thonemann