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Paderborner
Diplomat am Wiener Kaiserhof
Beichtvater des Kaisers Karl VI
Armeebischof
Pater Vitus Georg Tönnemann SJ (1659 bis 1740), der Paderborner
Diplomat am Hofe Kaiser Karl VI., war der Sproß einer alten
westfälischen Patrizierfamilie. Sein Vater entstammte der akademikerreichen
Warburger Familie Thöne, genannt Thönemann oder auch Thönnemann;
er war Dr. juris utriusque Heinrich Thönemann, fürstlicher
Corveyischer Richter und Gograf zu Höxter und Rat des Fürstbischofs
Bernhard von Galen zu Münster. Der Großonkel von Heinrich
Thönemann war Johann VII. Thöne, genannt Thonemann der
als Ahnherr der Thonemann-Linien in Scherfede gilt.
Abstammung
Joist I. Thöne,
genannt Thonemann, war in zweiter Ehe seit 1556 mit Angela von Listingen
(Tochter des Bürgermeisters Bernhard von Listingen und seiner
Frau Angela Nabercord, Witwe von Hermann Volmar, der 1552 starb
verheiratet. Aus dieser Ehe stammten drei Kinder, Johann
VII., geboren 1557, der Stammvater der Scherfeder
Thonemann-Linien und seine Brüder Christoph und Joachim
Thöne (geboren nach 1557). Beide sind als Ratsherren der Stadt
Warburg registriert. Es ist nicht bekannt wer von beiden Brüdern
eine Frau Hencken oder Heinken heiratete, die einen Sohn Georg Thöne
zeugten, der als Enkel von Joist I. Thöne ausdrücklich
benannt wird. Bei den von Georg abstammenden späteren Warburgern
schwankt die Schreibweise zwischen Thonemann, Tonnemann, Thönemann
oder Thönnemann. Georg Thöne heiratete eine Catharina
von Hoxar (vor 1620), Tochter des Bürgermeisters Dietrich von
Hoxar (1607 bis 1619), gestorben nach 1653 und seiner Frau Anna
von Geismar. Catharina hatte zwei Brüder: Jodocus von Hoxar,
geboren 1608, gestorben 1648, Canonikus in Fritzlar, und Martin
von Hoxar, geboren 1610, von 1641 bis 1651 Ratsherr und Kämmerer
in Warburg.
Aus der Ehe von Georg und Catharina wurde Heinrich Thönemann
1620 laut Taufregister der Altstädter Kirche in Warburg geboren,
benannt nach dem Stifter des Warburg Gymnasiums Heinrich Thöne.
Georg muss bald nach der Geburt seines Sohnes gestorben sein. Bereits
1620 brachten die Kirchenbücher den Vermerk: „Catharina
uxor quondam Georgii Thöne“. In den Steuerlisten der
Stadt Warburg stand die Witwe noch 1644 aufgeführt.
Während bei Joist I. Thöne, genannt Thonemann, in den
Steuerlisten meistens der Name Thone oder Thöne erscheint,
heißt er in den alten Urkunden – mit Ausnahme der Hardehausener
aus dem Jahre 1672, wo er mit seinem Bruder Johann VI. genannt wurde
– Thonemann. Die Scherfeder Linien und der Nörder Zweig
der Familie führten späterhin nur noch diesen Namen Thonemann,
der ursprünglich ein Kosename war. Hingegen nannte sich der
Bruder von Joist I., Johann VI. und dessen Söhne Martin und
Heinrich stets Thöne.
Heinrich Tönnemann – auch Thönemann benannt –
hebt sich aus der Reihe der Familie besonders hervor und wäre
auch als bedeutende Persönlichkeit innerhalb der Thonemann-Familie
zu würdigen, nicht nur, weil er fünfmal verheiratet war,
sondern weil er ein sehr vermögender Mann wurde und durch seine
Klugheit, den guten Familienbeziehungen und den vielen Verbindungen
zu bedeutenden Persönlichkeiten Westfalens den Grundstein für
einen neuen, sehr beachtlichen Aufschwung der Familie legte. Mit
ihm begann auch eine lange Reihe von Akademikern der Thonemann-Familie.
Der Name Thöne wird endgültig verlassen und stellt sich
als Thönnemann, Tönnemann, Thönemann und Thonemann
dar.
Heinrich Thönemanns Studienort ist nicht bekannt; ausgewiesen
ist er aber als Doktor beider Rechte (Jurisprudenz und Theologie);
als solcher wurde er Rat des Bischofs Bernhard von Galen in Münster,
der als Administrator die Fürstabtei Corvey regierte. Heinrich
Thönemann heiratete Anfang der 1650er Jahre Maria Wiedenbrück,
Tochter des Geheimen Rates Bernhard von Wiedenbrück. Fünf
Kinder gingen aus dieser ersten Ehe hervor. Das Jahr 1654 nannte
ihn in einem Hexenprozess gegen eine Catharina von Sudershausen
aus Vörden, die als unschuldig entlassen wurde. Am 20. Mai
1663 wurde er als Richter und Gograf in Höxter eingeführt.
Er nannte sich Consilarius des Fürsten, den er auch im Landtag
vertrat. Es ist hier zu bemerken, dass in früheren Jahrhunderten
ausschließlich Adelige als Hohe Regierungsbeamte eingesetzt
wurden; aber mehr und mehr kamen zu dieser Zeit auch bürgerliche
Schichten, die durch ein juristisches Studium an den Universitäten
gut ausgebildete waren, in diese Regierungsämter.
Am 22. Mai 1664 belohnte ihn der Landesherr in Corvey zusammen mit
seinen Söhnen Vitus Georg, Arnold, Bernhard, Hermann und Franz
mit einem adeligen Lehnsgut zu Höxter. Nach dem Tode seiner
ersten Frau heiratete er eine Frau von Loe, Tochter des Alexander
Maximilian von Loe aus Holland, die in Höxter wohnte. Seine
dritte Frau war eine von Ketteler, Tochter der Eheleute Goswin zu
Merlsheim und Anna Elisabeth von Neuhoff, genannt Ley. Aus dieser
Ehe gingen drei Töchter hervor. In vierter Ehe verheiratete
Heinrich sich mit Metta Theodora Meyer, Tochter des Hildesheimer
Kanzlers Dr. jur. Konrad Meyer und Theodora Wippermann.
Nach dem auch diese Frau frühzeitig im Jahre 1687 gestorben
war, heiratete Heinrich zum fünften, nun aber zum letzten Mal,
am 08.08.1691, die Witwe Elisabeth Schilder (Seuteantiy), geborene
Blömer zu Albaxen. Die Habsburger vertraten die Devise: „Kriege
mögen andere führen, du glückliches Österreich,
heirate!“ Diese Devise galt wohl auch für Heinrich Thönemann.
„Tu felix Thönemann, nube!“ Auf diesem Wege gelang
es ihm, die schweren Vermögensschäden, die seiner Familie
durch den 30-jährigen Krieg zugefügt waren, wieder auszugleichen,
ja mehr noch, ein solches Vermögen anzuhäufen und seinen
Kinder zu vermachen, wie es für die guten Warburger Verhältnisse
einfach ungewöhnlich war: 1000 Morgen Grundbesitz (1 Morgen
= 0,25 ha) konnte allein einer der Söhne, Bürgermeister
Franz Friedrich Thonemann in Warburg, sein ererbtes Eigentum nennen.
Das war in der Familie ein bis dahin noch nie dagewesener Rekord.
Heinrich Thönemann starb am 16.03.1696 in Höxter im Alter
von 75 Jahren.
Werdegang von
Vitus Georg Thönemann
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Pater Vitus Georg Tönnemann SJ
(*1659, †1740)
Theologische Fakultät Paderborn, Dauerleihgabe des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abt. Paderborn e.V., Inv. Nr. 81/977 (AV2), Höhe 85 cm, Breite 68,5 cm. Alle Veröffentlichungsrechte/Copyright liegen beim Altertumsverein Paderborn.
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Der bekannteste von Heinrichs Söhnen, ja ein Mann von internationalem
Ruf, wurde Vitus Georg Thönemann, benannt nach seinem Großvater
Georg Thöne, genannt Thonemann. Vitus Georg wurde im Jahre 1659
geboren, das Taufdatum ist bekannt: 04.10.1659. Nach dem Gymnasiumsbesuch
der Jesuiten in Paderborn erfolgte das Studium an der dortigen Universität
mit 4 Semestern und anschließende Promotion zum Magister Artium.
Der intelligente Student hatte schon früh die Aufmerksamkeit
seiner Lehrer gefunden, was dann am 07.02.1677 zum Eintritt in den
Orden der Jesuiten führte. Es folgte die Novizenzeit am Kolleg
in Trier, ein weiteres Jahr Studium der Philosophie und der schönen
Künste, zwischendurch auch eine Dozententätigkeit in Paderborn,
ein Studium in Münster und im Kloster Geist sowie der Abschluß
als Professor der Theologie und Philosophie in Paderborn mit dem Prädikat
„magna cum laude“. Danach lehrte er in Meppen Poetik und
Rhetorik und in Paderborn Philosophie, wo er auch am 20. Februar 1693
die vier Gelübde ablegte.
Sein erstes großes Können hatte er unter Beweis gestellt,
als er nach einem langen und schwierigen Streit der Paderborner Jesuiten
um die vom Reichskammergerichtspräsidenten Moritz von Büren
nach seinem Tode ererbte Herrschaft Büren einen Vergleich mit
dem Kurfürst Friedrich von Brandenburg zustande brachte. Dabei
soll dieser den Pater Thönemann einen ganz hervorragend tüchtigen
Jesuiten genannt haben. Denn er hatte mit der angeborenen Konzilianz
eines Mannes von Welt, der in Kreisen hoher Regierungsbeamte aufgewachsen
war, sich mit Sicherheit, bewundernswerter Ruhe, Zielstrebigkeit und
Ausdauer auf dem glatten Parkett des kaiserlichen Hofes zu Wien bewegte,
als die Zustimmung des Landesherrn zum Vergleich sowie die Bestätigung
durch den Papst und den Kaiser eingeholt werden mußte. In Wien
benutzte er jede freie Stunde, um an der Universität die notwendigen
zivil- und staatsrechtlichen Kenntnisse zu erwerben und sich mit den
verschlungenen Wegen einer Weltdiplomatie vertraut zu machen. Rosenkranz
schreibt in Band 8 der Zeitschrift des Vereins für Geschichte
und Altertumskunde zu diesem langwierigen Erbschaftsprozess folgendes:
„Ohne Thönemanns Dazwischenkunft würde Büren
schwerlich je der Sitz eines Jesuitenkollegii geworden sein, vielleicht
wäre es den dortigen Jesuiten nicht einmal gelungen, die Erbschaft
Moritzens aus dem Chaos so vieler Rechtsstreitigkeiten und feindlicher
Konspiration zu retten. Daher genoß er auch nach seinem Tode
die Ehre, von den Jesuiten als eine der größten Zierden
und Säulen der Gesellschaft Jesu gepriesen zu werden“.
Zweifellos in Anerkennung dieser „unsterblichen Verdienste“
– singulariter de hoc collegio, cujus magnus benefactor extitit,
immortaliter mertio – ernannte man den Sohn seines Bruders Arnold,
den Paderborner Universitätsprofessor Christoph Thönemann
1727 zum Rektor des Kollegs in Büren, dessen prächtiger
Rokokobau damals im Entstehen war. Gleichzeitig wurde Vitus Georg
auch durch verschiedene juristische Abhandlungen, die er auf deutsch
und lateinisch herausbrachte, dem Hofe und den Personen von Macht
und Einfluß von Tag zu Tag immer mehr bekannt, und die Wertschätzung
seiner Person nahm immer mehr zu. Daher wurde er auch damit betraut,
gewisse theologisch-juristische Thesen zu bekämpfen. Von der
Wiener Universität erfolgte seine Ernennung zum Doktor der Theologie.
Beim Kaiser in Wien
Bei der Gewandtheit und Zuverlässigkeit, die der junge Diplomat
zeigte, war es nicht verwunderlich, dass auch der kaiserliche Hof
auf Dr. Vitus Georg Thönemann aufmerksam wurde. Der deutsche
Kaiser Leopold I. in Wien (1658 bis 1705; 09.06.1640 geboren, am 05.05.1705
in Wien gestorben), den besonders der aufrechte und gradlinige Charakter
des gelehrten Diplomaten angenehm berührte, nahm ihn in seine
Dienste und bestellte ihn zum Erzieher und Reisebegleiter des Herzogs
Joseph von Lothringen (geboren am 26.07.1678 in Wien; er regierte
nur kurz von 1705 bis 1711, starb am 17.04.1711). Auf diese Weise
lernte Pater Dr. Thönemann die Österreichischen Erblande,
die Lombardei und Ungarn, kennen. Dabei konnte er durch seine unbedingte
Zuverlässigkeit und durch sein taktvolles Verhalten das volle
Vertrauen seines Kaisers in einem solchen Maße erwerben, dass
dieser ihn 1705 nach Spanien sandte als Beichtvater Erzherzogs Karl,
König von Spanien, dessen Beichtvater Pater Andreas Pauer am
08.10.1704 gestorben war. Wie Kaiser Joseph I. hatte auch sein Bruder
und Nachfolger , Kaiser Karl VI., von frühester Jugend an Jesuiten
als Beichtväter. Schon mit 8 Jahren erhielt er 1693 als Instruktor
und Beichtvater den Pater Andreas Pauer. Nach dessen Tod trat an seine
Stelle Pater Vitus Georg Tönnemann SJ.
Ein höchster Vertrauensbeweis des Kaisers Leopold I. für
den Pater Thönemann war es, als er ihn zur Brautwerbung für
den Prinzen Karl nach Schloß Salzdahlum an den Hof des Herzogs
Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel sandte, um die Prinzessin
Elisabeth Christiane von Braunschweig (die spätere Mutter der
Kaiserin Maria Theresia) kennenzulernen. Pater Vitus Georg konnte
neben dem Portrait der Prinzessin die beruhigende Auskunft mit nach
Spanien überbringen, dass sein Werben für den Prinzen erfolgreich
war. Da dieser Auftrag zur vollen Zufriedenheit beider Seiten erledigt
wurde (am 01.08.1708 wurde die Verlobung des jungen Paares in Barcelona
gefeiert), begleitete seitdem Pater Thönemann seinen Herrn zu
allen Aufenthalten. Er erwarb in dieser Zeit durch seine absolute
Ehrlichkeit und korrekte Erfüllung seiner Pflichten bei König
Karl – inzwischen zum Kaiser gekrönt – das volle
Vertrauen, weil der Herrscher gleich erkannte, dass sein Beichtvater
im Gegensatz zu der höfischen Unterwürfigkeit der übrigen
Hofbediensteten nicht um Gunst und Ansehen buhlte und keineswegs seine
Freigebigkeit auszunutzen versuchte. Zwischen dem Monarch und seinem
Ratgeber entwickelte sich ein enges Vertrauensverhältnis. Wieder
in Wien – König Karl übernahm nach seinem kaiserlichen
Bruder 1711 die Regierung – erhielt Pater Thönemann die
Leitung der Militärseelsorge mit dem Titel eines Großkaplans
der kaiserlichen Truppen. Die gesamte Seelsorge für die Soldaten
wurde neu organisiert, Zucht und Ordnung geschaffen, eine Selbständigkeit
der Armeeseelsorge durchgesetzt (trotz Widerstand der Bischöfe)
und schließlich ein unabhängiges kaiserliches Armeebischofsamt
gegründet, das von den jeweiligen Päpsten in der Besetzung
bestätigt wurde.
Damit hatte sich der kaiserliche Rat Dr. theol. Vitus Georg Thönemann
nicht durch die Gunst vermögender Gönner, sondern durch
eigenes Können und Verdienst eine einmalige Stellung von großer
Bedeutung geschaffen, aber ganz in Übereinstimmung mit dem Kaiser,
der ihn – um seine Gunst auch in aller Öffentlichkeit zu
bezeugen – stets nur „unseren Thönemann“ zu
nennen pflegte. Der kaiserliche Rat setzte sich gerne für jede
gerechte Sache ein und war auch vielen Antragstellern beim Hof behilflich;
mit scharfen Blick bei der Beurteilung der Menschen und auch der politischen
Verhältnisse konnte er schnell die „Spreu vom Weizen“
trennen.
„Es ist schon unglaublich, mit welcher Umsicht er in seiner
exponierten Lage, – wo er so vielen Blicken ausgesetzt war,
und soviel über ihn gesprochen wurde – handeln mußte
und tatsächlich auch so handelte: keine Verzagtheit ließ
ihn in Diensterfüllung und Glauben wanken, er verspielte nicht
durch barsches Auftreten das Wohlwollen des Fürsten, und verleumderische
Beschuldigungen strafte er Lügen durch seine untadelige Lebensführung.“
(Lobrede...)
Sein Einfluß
am kaiserlichen Hof
In vielen Dingen, ob es um das Recht der kleinen Stände, um hochpolitische
Entscheidungen, Anerkennung des unehelichen Sohnes der Marquise aus
dem hochadeligen Hause Nesle-Mailly (Nichte des Erzbischofs von Reims)
oder Rückkehr von Fürstentümern (z. B. Nassau-Dillenberg,
Hardamer, Siegen) zum Katholizismus ging, stets trat der kaiserliche
Rat Vitus Georg Thönemann mit gleicher Festigkeit und Gerechtigkeit
auf und leistete keinen üblen Machenschaften Vorschub. Auch wurden
durch ihn und seine klare Art in vertraulichen Verhandlungen die politischen
Beziehungen zu Herzögen und Fürstentümern verbessert.
„Der Kaiser mit seiner feinfühligen Religiosität hatte
sich folgendes zur Gewohnheit gemacht: wenn ein schwieriger Rechtsstreit,
bei dem die juristische Lage vollkommen unentschieden war, an das
höchste Appellationsgericht verwiesen wurde, dann leitete er
ihm die Akten zur Durchsicht zu, mit einer beigefügten handschriftlichen
Notiz, in der er ihn ermahnte, ohne Rücksicht auf politische
Erwägungen seine Meinung darzulegen, was ihm als recht erscheine.
Dies pflegte jener mit der größten Genauigkeit, in untadeliger
Ausführung, mit Sachkenntnis und so großer Diskretion auszuführen,
so dass er zwar die größten Dinge bewegte, als Beweger
aber unerkannt blieb. Um sich seine persönliche Unabhängigkeit
zu bewahren, bewegte es sich zwischen den streitenden Parteien, ohne
die kein Hofstaat sein kann, exakt in der Mitte, so dass keiner annehmen
konnte, er sei ihr mehr zugetan, und ebenso keine sich beklagen konnte,
benachteiligt worden zu sein.“ (Lobrede ...)
Seiner Sendung gemäß nahm sich Pater Vitus Georg vor allem
auch der kirchlichen Nöte und Wünsche an. „Es kam
fast kein katholischer Belang betreffendes Gesuch irgendeiner geistlichen
Stelle an den kaiserlichen Hof, ohne dass man sich dabei nicht an
ihn als Fürsprecher und Vermittler wandte“. Auch der päpstliche
Stuhl in Rom nahm in wichtigen Angelegenheiten zunächst Verbindung
mit dem kaiserlichen Rat und Pater auf (so z. B. Papst Clemens XI.
oder Papst Benedikt XIII.). So kam es, dass der kaiserliche Beichtvater
„die Zuflucht der Bischöfe, Klöster und Missionen“
wurde. Es war auch sein Verdienst, dass die Paderborner Jesuiten wieder
in den Besitz von Büren und Falkenhagen kamen. So pries ihn beim
Nachruf auch die österreichische Ordensprovinz und das Freiburger
Kloster, das in den Kriegen mit Frankreich seine Liegenschaften im
Elsaß verloren hatte. „Die Gnade des Fürsten blieb
ihm unvermindert erhalten, ja er gewann ihn sogar immer lieber, und
sooft er ihn erwähnte, sprach er von ihm nicht anders als von
„seinem Thönemann“. Das allgemeine Urteil über
seine Tüchtigkeit, die Würde seines Auftretens, die Ernsthaftigkeit
ausstrahlende Körperhaltung, seine gewinnende Menschlichkeit,
das Gewicht seiner Worte und seine Anspruchslosigkeit, das alles brachte
ihm beim ganzen Hofe Verehrung ein“.
Seine innere Haltung:
Herzensgüte – Toleranz – Unbestechlichkeit
In einer Stellungnahme heißt es über seine Wohltätigkeit
und Herzensgüte: „Unzählig sind diejenigen, denen
er durch seine Bitte bei dem gütigen Kaiser das durch Gerichtsurteil
verlorene Leben wiederschenkte oder denen er im Kampf um Ruf und Ehre
beistand. Hochgeborenen Leuten, die in Not geraten waren, half er
durch Unterstützungen, anderen, deren Vermögen durch jahrzehntelang
sich hinziehende Prozesse aufgezehrt war, durch Beschleunigung des
Gerichtsverfahrens. Besonders nahm er sich der Witwen und Waisen an,
mit denen er wie ein Vater zu verkehren pflegte“:
Es ist schon wirklich bewundernswert, welche geistige Größe
dieser geniale Mann in seiner religiösen Toleranz aufbrachte.
Die Freiheit und Weite seines Blicks und seiner Entscheidung war seiner
Zeit und seinen Zeitgenossen weit voraus, um Jahrhunderte. Denn diese
Toleranz war kein leeres Gerede, sondern eine unumstößliche
Tatsachenentscheidung. Dafür ein Beispiel: Als die sächsische
Regierung den Gründer der Herrenhuter Brüdergemeinde (aus
dem Pietismus stammende Religionsgemeinschaft – evangelische
Brüderkirche) Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (geboren am
26.05.1700 in Dresden; gestorben am 09.05.1760 in Herrenhut) zwang,
„um des Geschreies der evangelischen Theologen willen“
mit seinen Glaubensbrüdern das Land zu verlassen, flüchtete
dieser nach Mähren; von dort wandte er sich in großer Bedrängnis
an den bekannten Beichtvater des Kaisers in Wien; Thönemann regelte
die Angelegenheit, sorgte für ihn und seine Gemeinde so gut,
dass Zinzendorf erklärte, „er werde ihm dafür ein
immerwährendes dankbares Andenken conservieren“.
Als ein zweites Beispiel für eine ökumenische Haltung des
Dr. Vitus Georg Thönemann möge sein Einsatz gelten, den
der weit vorausschauende Mann im Interesse des religiösen Friedens
getätigt hat: Erzbischof Leopold von Salzburg zwang, gestützt
auf die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens, seine Untertanen,
die sich nicht zum gleichen Glauben, wie dem von ihm ausgeübten,
bekennen wollten, das Land zu verlassen. In ganz Europa hatte dieser
Vorfall Aufsehen und Unruhe erregt. Pater Thönemann tat alles,
um diese böse Anordnung des Fürsten zu verhindern. Er erreichte
in Salzburg, dass den Emigranten zugestanden wurde, was ihnen nach
Reichsrecht zukam. „Die Bemühungen im Interesse der evangelischen
Salzburger werden stets ein Ruhmesblatt in der Geschichte unseres
großen Verwandten bilden“ (Dr. Thöne).
Aus einem Bericht des britischen Gesandten in Wien an Lord Townshand
nach London vom 17. Dezember 1721 ist zu entnehmen, dass es nur drei
Personen am kaiserlichen Hof gebe, die völlig unzugänglich
seien für die Bestechung (wie wohl allgemein üblich zu seiner
Zeit), nämlich Prinz Eugen von Savoyen, der Hofkammerpräsident
Graf Gundacker von Starhemberg und des Kaisers Beichtvater, der Jesuit
Thönemann. In der Tat ist diese Aussage doppelt ehrenvoll, einmal
mit dem Feldherrn und Staatsmann des damaligen Österreichs, wenn
nicht sogar Europas, in einem Zuge genannt zu werden, zum anderen
in einer Zeit tagtäglicher, selbstverständlicher und maßloser
Korruption wie ein standfester Fels in einer wütenden Brandung
für Recht und Gerechtigkeit zu stehen. Welch ein vorbildlicher
Mensch hat hier gewirkt!
Vitus Georg war ein Mensch, der von unermüdlichem Eifer zur Arbeit
getrieben wurde; er schien sich offenbar von Strapazen zu ernähren
und sich an ihnen zu erholen; um ja nicht den kleinsten Augenblick
müßig entgleiten zu lassen, machte er sich sofort nach
dem Mittagessen, ohne sich eine kleine Atempause zu gönnen, an’s
Schreiben oder Beten, und niemals erfrischte er durch einen kurzen
Mittagsschlaf seine Kräfte. Dies war nur die äußere,
offizielle Seite des Paters Vitus Georg; bei weitem eindrucksvoller
wird seine innere Schönheit, der Adel seiner frommen Seele gewesen
sein.
„Je höher die Stellung war, die er erreichte, desto tiefer
reichten bei ihm die Wurzeln einer echten Demut; niemals hörte
man ihn reden von der Gunst des Fürsten oder von Angelegenheiten,
die er ruhmvoll ausgeführt hatte; wenn andere davon anfingen,
brach er das ihm unwillkommene Gespräch sofort ab und zeigte
damit, wie fremd ihm derartige Eitelkeit war. In seiner Kammer gab
es nichts Schmückendes oder Wertvolles außer dem Schmuck
der reinen Armut und dem ehrlichen Lob, das ihm seine vornehmen Besucher
spendeten, die sich nicht genug wundern konnten über die treffliche
Bescheidenheit dieses frommen Hofmannes.“ (Lobrede ...)
„Folgendes ist wirklich erwähnenswert: während all
der Jahre, die er mit dem Hofe in Laxenburg zubringen mußte,
wo sich alle den Freuden des Frühlings hingaben, entfernte er
sich nicht ein einziges Mal aus dem Hause, um etwa an der königlichen
Falkenjagd teilzunehmen oder im benachbarten Wäldchen einen Abendspaziergang
zu machen. Auf die gleiche Weise verhielt er sich auch in der Stadt;
mit der Hofkutsche, die immer zur Hand war, fuhr er nur zum Hofe und
zu den Häusern der Fürsten und Minister, niemals aus der
Stadt heraus, um spazieren zu gehen oder freiere Himmelsluft zu atmen;
so kam es, dass er, obwohl er solange in Wien gelebt hatte, hier noch
nahezu ein Fremder blieb. Noch mehr sperrte er sich, wiewohl er auch
vom Kaiser selbst dazu eingeladen wurde, gegen Theateraufführungen,
die doch in Wien auf’s großartigste inszeniert wurden,
und niemals nahm er an einer teil; auf diese Weise unterlief er die
Verführungen des Wohllebens und entzog nicht nützlichen
Beschäftigungen nützliche Stunden“. (Lobrede ...)
Verhältnis Kaiser
– Pater Vitus Georg
Ist es bei einer solchen ehrenwerten Haltung verwunderlich, dass der
Kaiser und seine ganze Familie diesem großen Ehrenmann von Herzen
zugetan waren? Zudem bestand volle Harmonie auch in theologischen
und religiösen Fragen. Der Kaiser besuchte täglich die heilige
Messe des Paters – über 30 Jahre lang – und empfing
nur aus seiner Hand die Sakramente. Vitus Georg sollte zu höchsten
kirchlichen Ehrenstellen befördert werden, aber Kaiser Karl konnte
sich nicht von ihm trennen. Wohl hat auch der Pater in seiner Bescheidenheit
alle hohen Würden und Auszeichnungen abgelehnt.
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Pater Vitus Georg Tönnemann SJ schenkte seiner
Heimatkirche, der Nikolai-Kirche in Höxter, eine
wertvolle Monstranz. An der Spitze der Monstranz ist eine
Taube, links des Schaugehäuses der zum Himmel auffahrende
Christus und rechts Maria mit Jesuskind und unter dem
Schaugehäuse Gottvater zu sehen. Im Fuß sind
vier Medaillen mit Niolaus, Franz Xaverius, Ignazius von
Loyola und Vitus zu sehen.
Die Unterseite des Fußes trägt folgende Eingravierung:
VITVS GEORGIVS TÖNNEMAN SOCIETATIS IESV SACERDOS DEDIT ECCLESIAE AD S · NICOLAVM HVXARIAE · SINT ILLIVS MEMORES IN OMNI BENEDICTIONE SPIRITVALI
In der lateinischen Inschrift sind die Buchstaben in unterschiedlicher
Größe wiedergegeben. Die größeren
Buchstaben bedeuten (auch) Zahlen, die addiert werden
müssen, um die Jahreszahl der Entstehung der Monstranz
zu ermitteln.
(Foto: Rainer Ante 2001)
(Vergrößerung durch Mausklick) |
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Am Tage des Goldenen Priesterjubiläums, das mit zwei Jahren Verspätung
stattfand, weil Vitus Georg sich so strikt weigerte, schließlich
der Kaiser aber dazu Befehl gab, feierte die ganze kaiserliche Familie
mit ihm in der Hofkapelle zu Laxenburg. Zahlreiche Ehrengäste,
u. a. Kardinal Sigismund von Kollowitsch aus Ungarn und der Venetianische
Gesandte nahmen daran teil. Nach der Feier erteilte der Jubilar allen
Anwesenden den priesterlichen Segen – und es wird überliefert
– Kaiser Karl und Pater Thönemann standen sich, gerührt
und mit Tränen in den Augen, eine Zeitlang schweigend gegenüber.
Beim fürstlichen Mittagsmahl unter Teilnahme de Kaisers und aller
höchsten Beamten des Hofes überreichte der kaiserliche Kammerzahlmeister
und Aufseher des Privatschatzes des Kaisers, Durius, dem überraschten
und verblüfften Vitus Georg eine goldene Gedenkmünze, die
mit zahlreichen Brillanten und dem Bild des Kaisers geschmückt
war; mit herzlichen Worten überbrachte er den Dank seiner Majestät
für die treu geleisteten Dienste. Auch der Ordensgeneral der
Jesuiten wünschte Glück und Segen zu dieser ehrenvollen
Auszeichnung, „ wodurch der Kaiser der ganzen Welt kundtun wollte,
wie hoch er Ihre geistigen Dienstleistungen während so vieler
Jahre schätzte. Über die kostbare Gedenkmünze, die
er Er. Hochwürden umgehängt, können Hochwürden
nicht anders verfügen, als der Kaiser bestimmt hat, nämlich
für Ihre Familie, wozu ich alle Erlaubnis gebe“. Leider
ist dieses wertvolle Stück nicht mehr vorhanden.
Pater Vitus Georgs
Ende – Sterbekreuz an Kaiser
Am 14. März 1740 besuchte Kaiser Karl VI. allein und ohne Begleitung
den hochbetagten, an Bronchialkatarrh tödlich erkrankten Pater,
um von seinem treuen Diener Abschied zu nehmen, der ihm 34 Jahre so
vorbildlich zur Seite gestanden hatte. In der ärmlichen Zelle
auf dem Bette des Kranken sitzend, unterhielt sich der Kaiser über
eine Stunde mit dem geliebten Pater. Bei seinem Abschied schenkte
der Pater – den nahenden Tod vor Augen – seinem gütigen
und geliebten Fürsten zum Andenken sein Sterbekreuz, das der
Kaiser als letze Erinnerung aus der Hand des Todgeweihten wie ein
kostbares Geschenk mit großer Rührung entgegennahm. Dieses
Kruzifix hat der Kaiser sieben Monate später auf seinem Sterbebett
bis zum letzten Atemzug umklammert festgehalten. Zu Pater Vitus Georg
soll der Kaiser bei seinem Weggang gesagt haben, dass er ihm recht
bald in die Ewigkeit nachfolgen werde. Drei Stunden nach diesem Gespräch
mit dem Kaiser erstickte der Kranke an dem tödlichen Schleim
und gab seine sanfte Seele seinem Schöpfer zurück. Damit
beschloß Pater Thönemann am 14.03.1740 sein weises Leben
mit einem weisen Tod.
Nach seiner Rückkehr an den Hof versicherte der Kaiser, wenn
ihn je der Verlust eines Menschen tief geschmerzt, so sei es der Verlust
dieses Mannes. Pater Vitus Georg wurde in der Gruft des Profeßhauses
(Haus der Novizen) in Wien feierlich beigesetzt. Kaiser Karl VI. starb
am 20. Oktober 1740 im 56. Lebensjahr nach 30 Jahren Regierungszeit.
Mit ihm erlosch der Mannesstamm des ruhmreichen habsburgischen Geschlechts.
Der Prokurator der österreichischen Ordensprovinz Pater Michael
Bliemel schrieb am 16.03.1740 an den Oberdeutschen Prokurator:
„Gestern haben wir eine große Zierde und Säule der
Gesellschaft verloren, den Pater Vitus Thönemann, einen Mann
von unsterblichem Verdienst um die Kirche, die ganze Gesellschaft
und unsere Provinz, dessen Tod zwar von allen, von keinem aber mehr
als dem Kaiser beklagt wird“.
Ganz ohne Frage war unser Verwandter für diese hohe Stellung
beim Kaiser in Wien – wie kaum ein zweiter – geeignet.
Seine ihm angeborene Liebenswürdigkeit, seine universale Bildung,
verbunden mit einer ungeheuren Tatkraft und Gradlinigkeit, dazu seine
Zuverlässigkeit, gepaart mit absoluter Treue und Unbestechlichkeit,
waren die deutlichen Kennzeichen für die gute Eignung dieser
angesehenen Persönlichkeit. Ihm waren aufgrund seiner Herkunft
und elterlichen Erziehung jeglicher Hochmut, Selbstüberschätzung
und Günstlingswirtschaft völlig fremd. Er liebte Einfachheit
und Bescheidenheit, ja war glücklich mit seinem einfachen und
arbeitsreichen Leben. Der Ordensgeneral mußte ihn wiederholt
ermahnen, durch zu strenges Fasten seine Gesundheit nicht in Gefahr
zu bringen. Auch mußte dieser Ordensobere ihn davon abhalten,
den kaiserlichen Hof mit den hinterhältigen Intrigen zu verlassen,
denn solche Verhaltensweisen entsprachen nicht seiner Wesensart, seiner
tiefen Frömmigkeit und weitherzigen Toleranz.
Die Nikolai-Kirche in Höxter, die ehemalige Pfarrkirche, erhielt von Pater Thönemann ein wertvolles Andenken, einen prachtvollen Kelch und eine Monstranz zum Geschenk. Diese schön gearbeiteten Rokoko-Prachtstücke sind Ausdruck der damaligen hohen Goldschmiedekunst.
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Dieser
handgearbeitete Kelch wurde ebenfalls der Nikolai-Kirche
in Höxter von Pater Vitus Georg vermacht. Der Kelch
hat drei Bilder: Kreuzigungsgruppe - Antonius mit dem
Jesuskind - Vitus.
Die eingravierte Schrift an der Unterseite des Fußes
lautet:
REVERENDVS P · VITVS GEORGIVS TÖNNEMAN E SOCIETATEIESV FIERI FECIT ORENT PRO E D
In der lateinischen Inschrift sind die Buchstaben in unterschiedlicher
Größe wiedergegeben. Die größeren
Buchstaben bedeuten (auch) Zahlen, die addiert werden
müssen, um die Jahreszahl der Entstehung des Kelches
zu ermitteln.
(Foto: Rainer Ante 2001)
(Vergrößerung durch Mausklick) |
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Für das Kolleg in Paderborn ließ der Orden ein Portrait dieses großen Jesuiten malen.
Von Wien aus machte Pater Vitus Georg der Bürener Jesuitenresidenz
eine Schenkung von 1000 Goldgulden (Herrschaft Büren, Akten 705
Staatsarchiv Münster).
Er war ein Vorbild für uns alle. Sollten nicht auch in unserer
heutigen Zeit solche Persönlichkeiten leben, die ein Vorbild
für unsere Nachkommen sein können?
Wir haben sie bitter nötig.
Aktuelle Forschungen
Aktuelle Forschungen und weitere Informationen zu Pater Vitus erhalten Sie unter www.ralf.thonemann.name.* *= eingefügt von Ralf A. H. Thonemann, Düsseldorf |